Bundesrepublik Deutschland am Scheideweg – Ohne Gewaltenteilung kein Rechtsstaat – Teil 2

Das Grundgesetz der BRD, Deckblatt
Das Grundgesetz der Bundesrepublik

von K. Mader – März 2024

zu Teil 1

zu Teil 3

Teil 2:

Betrachtung der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich Gewaltenteilung

Gewaltenteilung und Rechtsstaat heute

Als These kann man der Bundesrepublik Deutschland einen Mangel an Gewaltenteilung bescheinigen: Die in der BRD vorhandene Gewaltenverflechtung wird den Grundsätzen und der Zielsetzung der von Montesquieu beschriebenen Lehre des Staatsaufbaus nicht gerecht, ja, diese wird missachtet. Eine ausgeprägte und praktisch wirksame Trennung der Staatsgewalten ist jedoch Grundlage und eine Voraussetzung für einen funktionierenden und über lange Dauer beständigen Rechtsstaat.

Allzu häufig wird der Umstand der „Gewaltenverschränkung“ und ein enges Zusammenwirken zwischen den Staatsgewalten in der Fachliteratur als Merkmal eines modernen Verfassungsstaates oder einer funktionierenden gegenseitigen Kontrolle bezeichnet. Wobei man unterscheiden muss zwischen der oft genannten Gewaltenverschränkung, die zumeist lediglich das Zusammenwirken beschreibt, wie etwa die Tatsache, dass die Bundes- oder Landesregierung Gesetzentwürfe zur Beratung und Abstimmung dem zuständigen Parlament vorlegen darf, in der Regel in Absprache mit Parlamentsfraktionen.

Darüber hinaus gibt es die Verflechtung der Staatsgewalten. Bei der Gewaltenverflechtung handelt es sich um eine enge Verbindung, die die Idee der Gewaltentrennung konterkariert. Bisweilen findet man in der Literatur zum Thema auch die Darstellung, eine allzu konsequente Trennung der Staatsgewalten könnte Abläufe behindern, darum sei diese nicht zweckmäßig oder gar in modernen Staaten nicht zeitgemäß oder nicht durchführbar.

Damit wird, strenggenommen, ein heikler Zustand gerechtfertigt oder gar die Ablehnung des Gewaltenteilungsprinzip für unsere modernen Staaten verklausuliert umschrieben.
Das häufig zu vernehmende Schönreden oder Rechtfertigen eines bedenklichen Zustandes, vor allem die Justiz betreffend, ist auffällig. Vielfach wird auf die vertikale und horizontale Gewaltenteilung hingewiesen. Hierbei stellt die „vertikale Gewaltenteilung“ die Trennung zwischen Bundes- und Länderebene im Bundesstaat dar.

Das Grundgesetz

Im deutschen Grundgesetz (Grundgesetz, GG) werden für die Bundesebene die Staatsgewalten in mehreren Artikeln beschrieben, und die Trennung der Staatsgewalten voneinander stellt keine ausdrückliche Forderung des Grundgesetzes dar.

So wird vor allem im Artikel 20 Absatz 1 der Föderalismus festgeschrieben, da die Bundesrepublik ein Bundesstaat ist, und in Artikel 28 Absatz 1 GG wird erklärt, dass die verfassungsmäßige Ordnung in den [Bundes]Ländern den Grundsätzen des […] Rechtsstaates im Sinne des GG zu entsprechen hat, was sich in den Landesverfassungen niederschlägt. Damit soll die „vertikale Gewaltenteilung“ einhergehen.

In Artikel 20 Absatz 2 und 3 wird erklärt, „alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“, und die drei Gewalten werden benannt wie auch deren Bindung an Gesetz und Recht. Nicht aber wird die Art der Trennung und Unabhängigkeit dieser Staatsgewalten voneinander explizit beschrieben. Artikel 92 GG benennt die Richter als die Träger der Rechtsprechenden Gewalt, und Artikel 97 sichert den Richtern Unabhängigkeit zu.

Doch von diesen geschriebenen Worten auf die Umsetzung einer Trennung der Staatsgewalten in der Wirklichkeit zu schließen, ist voreilig, sogar fahrlässig.

Die Lage der Justiz in der BRD

In der bundesrepublikanischen Wirklichkeit scheint ein kritisches Rütteln am Status Quo als Sakrileg gewertet zu werden. Deutlich wurde das unter anderem 2013, als in einer öffentlichen Anhörung im Deutschen Bundestag ein Gesetzentwurf der Partei DIE LINKE (DIE LINKE) zur Schaffung von Unabhängigkeit der Justiz beraten wurde: „Entwurf eines Gesetzes zur Herstellung der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz“ und damit in Verbindung eine notwendige Änderung im Grundgesetz, „Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes – Herstellung der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz“. Die absolute Mehrzahl der zur Anhörung eingeladenen Sachverständigen sahen keinen Reformbedarf, bewertete den damit unternommenen Vorstoß als nicht notwendig oder gar mit Gefahren und Risiken behaftet. (https://www.bundestag.de/webarchiv/textarchiv/2013/44141576_kw17_pa_recht_justiz-211924)

Obwohl das Anliegen der LINKEN durchaus als nachvollziehbar anzusehen ist, wurde es in der parlamentarischen Entscheidungsfindung verworfen.

Nicht nur von der LINKEN, sondern später auch von Seiten der Alternative für Deutschland, AfD, (Alternative für Deutschland, AfD) waren schon mehrfach Erklärungen zu vernehmen, die die aus ihrer Sicht bestehenden deutlichen Mängel bezüglich Gewaltenteilung in der BRD darlegen. So bemängelt in einer Presseerklärung vom 20. Februar 2023 der Parlamentarische Geschäftsführer und Justiziar der AfD-Bundestagsfraktion, Stephan Brandner, das Wahlverfahren für die Bundesverfassungsrichter. Durch ein Richterwahlgremium könne eine Trennung der Legislative von der Judikative im Sinne der Gewaltenteilung herbeiführt werden, so der Vorschlag Brandners. (https://afdbundestag.de/stephan-brandner-richterwahl-fuer-das-bundesverfassungsgericht-reformieren/) Ebenso übt Brandner in einer Pressemitteilung von Mai 2019 Kritik an der mangelnden Unabhängigkeit der deutschen Staatsanwaltschaften, wozu seine Partei Initiativen im thüringischen Landtag und im Bundestag eingebracht habe. (https://afdbundestag.de/brandner-gewaltenteilung-umsetzen-weisungsgebundenheit-der-staatsanwaltschaften-abschaffen/ , eingesehen am 3. März 2024)

Damit steht die Alternative für Deutschland nicht allein. Die Lage der Staatsanwaltschaft in der Bundesrepublik ist ein schwierig zu analysierender Fall, wozu auch von Seiten des Europäischen Gerichtshofes, EuGH, ein beachtenswertes Urteil vorliegt. Auch die Parteivorsitzende der AfD, Alice Weidel, brachte in Reden und Interviews deutliche Anmerkungen zu Mängeln der Gewaltenteilung hervor, beispielsweise in einem Fernseh-Sommerinterview des ZDF, im August 2022.

Es fällt auf, dass in der Bundesrepublik lediglich Vertreter von Parteien, die sich im Bundestag dauerhaft in der Opposition befinden, Äußerungen zu Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit tätigen, Mängel diesbezüglich benennen und Initiativen ergreifen. Personen oder Organisationen, die im jetzigen System beruflich und politisch etabliert sind, scheinen an den Gegebenheiten nicht rütteln zu wollen. Das ist aus den persönlichen Gründen nachvollziehbar: Hat man in einem System nach dessen Regeln eine Karriereleiter erfolgreich bestiegen, möchte man Systemveränderungen meiden, da diese Karriereleiter dadurch womöglich verschwinden könnte.

Wenn sich über den Zeitraum mehrerer Generationen verantwortliche Personen beziehungsweise Institutionen in der gesamten Struktur des Staates mit einem System arrangiert haben, sei es auch unter bestimmten Gesichtspunkten noch so mangelhaft, ist dieses als ausgesprochen festgefügt zu betrachten. Reformwille hat keine Möglichkeit zur Entfaltung.

Allein die Fraktion der LINKEN im Bundestag sprach sich in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, datiert auf den 26.6.2013, für ihren oben genannten Gesetzentwurf aus. Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Grüne Partei) enthielt sich. Die anderen drei Fraktionen lehnten den Gesetzentwurf der LINKEN ab. Die Alternative für Deutschland (AfD) war 2013 noch nicht mit einer Fraktion im Bundestag vertreten. Unberechtigt ist das Anliegen der LINKEN vom Grundsatz her nicht. Zahlreiche Fachleute, darunter Juristen, sprechen sich für eine deutliche oder grundsätzliche Unabhängigkeit der deutschen Justiz von der Exekutive aus. Allerdings kam dies durch die eingeladenen Sachverständigen bei der Anhörung im Bundestag nicht hinreichend zum Tragen. Dies ist bei derartigen parlamentarischen Anhörungen ein Stück weit mit den Regeln der Einladungen von Sachverständigen zu erklären und der Scheu von Eingeladenen, zu manchen Themen zu erscheinen oder ungehemmt zu sprechen.

In der Bundesrepublik hängt die berufliche Laufbahn von Richtern im Wesentlichen von Bewertungen des Ministeriums beziehungsweise des Ministers ab. Richtern ist bewusst, dass ihr Verhalten, ihre Arbeitsweise dem Wohlgefallen der Regierung, einem Minister und gegebenenfalls sogar bestimmten Parteilinien angepasst werden muss, wollen sie keine Brüche in ihrer Laufbahn riskieren.
So kann die Regierung nach eigenen Maßstäben Einfluss nehmen auf die Beförderung oder Ernennung von Richtern. Von einer Unabhängigkeit der Gerichte kann so nicht ausgegangen werden. Im Detail verfügen die Bundesländer über unterschiedliche Zusammensetzung der Richterwahlausschüsse. In manchen Bundesländern ist das Justizministerium darin beteiligt. Die Zusammensetzung der Richterwahlausschüsse sind im Grundgesetz nicht geregelt. So befinden die Bundesländer selbst darüber, meist unter Einbeziehung von Parlamentariern und Regierungsmitgliedern.

Eine ausführliche Erläuterung zur Ernennung, Beförderung und Amtsenthebung von Richtern in Deutschland ist zu finden in der Ausarbeitung des ‚Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages‘, „Ernennung, Amtszeit und Beförderung von Richtern und Staatsanwälten“. Zur Rechtslage in Deutschland hinsichtlich der ordentlichen Gerichtsbarkeit Aktenzeichen: WD 7 – 3000 – 043/22; Abschluss der Arbeit: 31.05.2022
(https://www.bundestag.de/resource/blob/902980/fa44b4a2bd35820f5a087513c2bc7207/WD-7-043-22-pdf-data.pdf).

In dieser Ausarbeitung heißt es zur Ernennung von Bundesrichtern: „Gemäß Artikel 95 Absatz 2 GG entscheidet über die Berufung der Richter der obersten Bundesgerichtshöfe der für das jeweilige Sachgebiet zuständige Bundesminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuss. Der Richterwahlausschuss besteht aus den für das jeweilige Sachgebiet zuständigen Ministern der Länder und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern, die vom Bundestag für die jeweilige Legislaturperiode gewählt werden, …“

Auch Gerichtspräsidenten führen als weisungsgebundene Ministerialbeamte Aufsicht über ihr Gericht und sitzen so zwischen den Stühlen der Exekutive und der Judikative. Ernstzunehmende kritische Erklärungen zur Lage der Justiz und nicht vorhandene Unabhängigkeit wurden in den ersten Jahren nach der Gründung der BRD abgegeben, ohne dass dies Konsequenzen für die weitere Entwicklung hatte. (https://www.gewaltenteilung.de/gewaltenteilung-in-deutschland-die-steckengebliebene-reform/).

Personalunion: Die Verbindung von Legislative und Exekutive – Parlamentarier als Teil der Regierung

Gesetzgebende Körperschaften dürfen aber in keiner Weise eine vollziehende Funktion wahrnehmen, sie dürfen nicht tyrannisch werden. Würde nämlich die Vollziehung von denen übernommen, die die Gesetze erstellen, gäbe es keine Freiheit mehr.“

  • Charles-Louis de Montesquieu, „De l’Esprit des Lois“

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Gewaltenübergreifende Doppel- oder gar Mehrfachfunktion sind in der Bundesrepublik keine Ausnahme. Schaut man sich die Regierungen in der BRD an, so findet man eine personelle Doppelfunktion eher schon als Normalfall vor: Eine Vielzahl der Minister ist derzeit (und waren es) gleichzeitig Bundestagsabgeordnete.

Für Parlamentarische Staatsekretäre gilt sogar, dass diese Mitglieder des Bundestags sein müssen. Analog findet man in den Bundesländern ähnliche Verhältnisse vor. Damit gehören diese Regierungsmitglieder ebenso der größten oder durch Koalition einflussreichen Parteienfraktionen in der Legislative an. Die Legislative hat nach der politischen Theorie, neben Beteiligung an der Gesetzgebung, vor allem die Aufgabe inne, Kontrolle über die Regierung auszuüben.

Nur machen diese Abgeordneten in Doppelfunktion in der Regel selbstverständlich das Gegenteil von Regierungskontrolle. Vielmehr stützen sie aus dem Parlament heraus „ihre“ Regierung und kooperieren mit Ministerien. Das „Hand-in-Hand-Arbeiten“ zwischen Ministerien beziehungsweise Regierungskabinett und Regierungsfraktionen ist Alltagsgeschäft. Aber ist dieser Zustand auch im Sinne von Gewaltenteilung und Rechtsstaat legitim?

Deutlich wird dies bei der Entstehung und parlamentarischer Behandlung von Gesetzentwürfen, die von Regierungsseite und Parlamentskoalition offenkundig in Absprache und Gemeinschaftsarbeit eingebracht werden. Die Opposition hat de facto keine nennenswerte Einwirkungsmöglichkeit; ihre Kritik verhallt im parlamentarischen Ablauf weitgehend ungehört. Lediglich erscheint im weiteren Verfahrensverlauf, nach der Abstimmung im Bundestag, eine oftmals sachlich-kritische Stellungnahme von Seiten des Bundesrates (Bundesrat), sofern dessen Zustimmung vonnöten ist.

Dadurch, dass Regierungsmitglieder als Bindeglied ebenfalls Mitglieder des Parlamentes sowie der einflussreichen Koalitionsfraktionen sind, nehmen sie auf die Parlamentarier der maßgeblichen Koalitionsfraktionen – damit wegen der Mehrheitsverhältnisse auf das Parlament im Ganzen – Einfluss oder wirken mit den Koalitionsfraktionen gemeinschaftlich. Diese „Regierungsabgeordneten“ sind obendrein im Parlament stimmberechtigt, was die Unterhöhlung der Trennung von Legislative und Exekutive veranschaulicht. Beteiligung an der Regierung und Stimmberechtigung im Regierungskabinett (EXEKUTIVE) wie auch im Parlament (LEGISLATIVE) ist mit Gewaltenteilung nicht im Geringsten vereinbar.

Es ist gelegentlich zu beobachten, wie Minister im Plenarsaal von der Regierungsbank auf ihre Parlamentsplätze wechseln. Wo ist da die für einen Rechtsstaat erforderliche Trennung der Staatsgewalten vorzufinden? Gleiches gilt für den Bundeskanzler / die Kanzlerin: Offenbar findet es niemand verstörend, wenn die ehemalige Kanzlerin, Angela Merkel (CDU, Christlich Demokratische Union), Teil der Unionsfraktion im Bundestag war oder jetzt Kanzler Olaf Scholz (SPD, Sozialdemokratische Partei Deutschlands) als Spitze der Exekutive auch Mitglied der SPD-Fraktion ist und über die Fraktionssitzungen sich für Anliegen oder die Agenda der Regierung einsetzen kann und obendrein in der Legislative stimmberechtigt ist. Wie schon gesagt, übernehmen zusätzlich die parlamentarischen Staatssekretäre eine Verbindungsrolle.

Mit der personellen Verflechtung zwischen Regierung (Exekutive) und Parlament (Legislative) finden wir das Gegenteil von Gewaltenteilung vor. Montesquieu wird über den Haufen geworfen.
Selbst wenn die Regierungsmitglieder von diesen Möglichkeiten und Rechten nicht immer vollumfänglich Gebrauch machen, stehen ihnen diese Wege offen, und wenn es darauf ankommt, stimmt die Regierung im Parlament mit.

Bei all dem oben Gesagten sollte man bedenken, dass häufig obendrein die Justizminister gleichzeitig Mitglieder des Parlamentes sind; außergewöhnlich ist das für die BRD nicht. Damit ist die Gewaltenverflechtung in Bezug auf den Justizbereich vollkommen. In der 19. Wahlperiode des Bundestages, 2017 bis 2021, gab es auf Bundesebene zum Beispiel eine Justizministerin, Christine Lambrecht, und dazu zwei Parlamentarische Staatssekretäre im Justizministerium (Christian Lange und Rita Hagl-Kehl), die alle drei zu dieser Zeit gleichzeitig Abgeordnete der SPD im Bundestag waren.

Die Parlamentarischen Staatssekretäre (offiziell: „Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister“, kurz: ParlSt) sind häufig Gegenstand von öffentlichen Auseinandersetzungen. Faktisch sind sie als nicht-stimmberechtigte Mitglieder der Regierung anzusehen; verfassungsrechtlich und formal sind sie das allerdings nicht. Sie müssen sogar gleichzeitig Mitglieder des Bundestages sein, bis auf die Parlamentarischen Staatssekretäre des Kanzleramtes und die ParlSt beim Außenminister, die beide den Titel des Staatsministers tragen dürfen.

Streitet man heute vor allem über die große Zahl der ParlSt und die damit verbundenen Kosten (im April 2022 waren es derer 38 – Deutscher Bundestag – Aktuelle Anzahl der Parlamentarischen Staatssekretäre: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-890468), war deren Amt in den 1950er Jahre vom Grundsatz her Anlass zu öffentlichen Auseinandersetzungen. So wechselte die Wahrnehmung der ParlSt im Laufe der Jahrzehnte hin zu einer rein materiellen beziehungsweise monetären Betrachtung.

Zu den wesentlichen Aufgaben der Parlamentarischen Staatssekretären gehört auch die Vertretung oder Unterstützung des betreffenden Ministers in Bundestagsausschüssen oder den Arbeitskreisen der Fraktion. Damit gehört gerade die fragwürdige Bindegliedfunktion zwischen den Staatsgewalten zu deren Aufgabe. Das „Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre (ParlStG)“ regelt Näheres zu diesem Amtsverhältnis.

In der 20. Wahlperiode, seit 2021, ist die Lage ähnlich wie in der 19. Periode. Der Bundesjustizminister, Dr. Marco Buschmann (FDP), ist ebenfalls gleichzeitig Bundestagsabgeordneter. Damit bildet dieser Minister wieder eine Verbindung über alle drei Staatsgewalten hinweg: Er ist stimmberechtigt im Regierungskabinett wie auch im Bundestag und darüber hinaus ist er Leiter des Bundesministeriums für Justiz (BMJ). Damit verfügt er über weitreichende Kompetenzen in den Justizapparat hinein. Er leistet sich allerdings „nur“ einen Parlamentarischen Staatssekretär (Benjamin Strasser, FDP). Es fällt jedoch auf, dass gerade in der jetzigen Wahlperiode der „Ampel-Koalition“ – SPD, FDP, Grüne – insgesamt die Zahl der Parlamentarischen Staatssekretäre zuletzt deutlich angestiegen ist.

Die Funktion der Parlamentarischen Staatssekretäre stellt ein organisiertes, zusätzliches Hintertreiben der Gewaltenteilung dar, nicht nur im Justizbereich, sondern in allen Resorts. Aus Sicht der betreffenden Minister ist deren Unterstützungs- und Assistenzfunktion als wünschenswert nachvollziehbar. Aber an Maßstäben von rechtsstaatlichem Aufbau gemessen, ist diese Position mit den Aufgaben und Befugnissen zumindest einer kritischen Betrachtung zu unterziehen und gar gänzlich abzulehnen.

Analoge Strukturen setzen sich in den Bundesländern weitgehend fort. Die Regelungen zu Parlamentarischen Staatssekretären sind unterschiedlich und uneinheitlich in den deutschen Ländern. Die Praxis, dass Parlamentsabgeordnete gleichzeitig der Regierung angehören können, unterscheidet sich nicht. Damit stellt sich die Frage von Sinn und Wirksamkeit der vertikalen Gewaltenteilung. Eine solche totale Verknüpfung von Staatsgewalten beziehungsweise Staatsorganen, die nach der Theorie getrennt sein sollten, kann man mit praktischen Erfordernissen nicht begründen; es ist hier nicht einmal ein geringer Ansatz von Trennung und Unabhängigkeit gegeben.

In Bezug auf die drei (klassischen) Staatsgewalten kommt erschwerend zum Tragen, dass die Mitglieder von Regierungen – in Ländern oder Bund – nicht nur häufig auch Abgeordnete sind, sondern oft auch innerhalb ihrer Partei eine Führungsrolle beziehungsweise Spitzenposition innehaben und darüber hinaus über Parteimitgliedschaften und Verbindungen über internationale Netzwerkorganisationen eine enge Bindung über die Bund-Länderebenen besteht, statt eine sogenannte vertikale Gewaltenteilung.

Es kann bedeutende Folgen haben, wenn Minister oder Bundeskanzler als Mitglieder der parlamentarischen Fraktion zusätzlich eine Weisungs- oder Richtlinienkompetenz innerhalb einer großen Partei besitzen, zum Beispiel als Mitglieder im Vorstand oder in anderen Parteigremien und von dort mit ihrer Parteiagenda in zwei oder gar alle Staatsgewalten hineinwirken, auf Bundes- wie auch auf Länderebene.
Die Forderung, eine Trennung von (Partei)Amt und Parlamentsmandat durchzuhalten, ist nicht unberechtigt. Doch nicht einmal die Grüne Partei, die dies in ihren ersten Jahren vollmundig als Losung und Zielsetzung herausgab, hat sich längerfristig daran gehalten; verpufft sind die früheren Erklärungen in der bundesrepublikanischen Parteienwirklichkeit.

Weitere Besonderheiten der Bundesrepublik Deutschland

Das Justizwesen ist in seiner Gesamtheit in zwei Komplexen getrennt zu betrachten: Die Rechtsprechung (Judikative) durch Gerichte beziehungsweise die dort tätigen Richter – also die Rechtsprechende Gewalt – und andererseits die Staatsanwaltschaft. Die wesentlichen Aufgaben der Staatsanwaltschaft umfassen die Strafverfolgung, Ermittlung, Anklage, Überwachung der Rechtmäßigkeit der Strafvollstreckung und Zusammenarbeit mit anderen Strafverfolgungsbehörden – auch international. Es liegt auf der Hand, dass Objektivität und Neutralität von Bedeutung sind.

Die Staatsanwaltschaft in der Bundesrepublik ist ohnehin ein Fall, den eingehend zu betrachten lohnt. Allerdings soll dies hier nur in dem notwenigen Maße erfolgen.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, deutsche Staatsanwaltschaften seien nicht unabhängig genug von der Exekutive, und darum dürfen diese keinen Europäischen Haftbefehl mehr ausstellen. Zu den Voraussetzungen für die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls gehört laut EuGH-Beschluss, dass sie von einer unabhängigen „Justizbehörde“ ausgestellt werden. Das sei bei deutschen Staatsanwälten nicht der Fall, da es nicht ausgeschlossen sei, dass ein Europäischer Haftbefehl in Einzelfällen auf Weisung des Justizministers des jeweiligen Bundeslandes ausgestellt werde. Somit seien deutsche Staatsanwälte nicht unabhängig von der Exekutive. In Deutschland leitet der Generalstaatsanwalt die Staatsanwaltschaft. Er wiederum untersteht dem jeweiligen Justizminister des Bundeslandes und ist damit nicht als unabhängig. Die Exekutive ist ihm gegenüber als weisungsbefugt anzusehen. (Deutsche Welle: „EuGH: Deutsche Staatsanwälte nicht unabhängig; 27.05.2019“) Damit wird der BRD durch den EuGH die Abhängigkeit dieses Teils der Justiz von der Exekutive bescheinigt.

Inwieweit die Staatsanwaltschaft in der BRD den Innenministerien untersteht oder (auch) dem Justizministerium unterstellt ist, darüber besteht zusätzlich eine akademische Auseinandersetzung.

Dazu kommt, dass der Ausschuss für Recht und Menschenrechte des Europarates schon 2009, unter dem Vorsitz von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, in einem umfangreichen Bericht Deutschland, neben der Russischen Föderation, dem Vereinigten Königreich und Frankreich, zu umfassenden Reformen im Justizwesen aufforderte. Es heißt hier unter anderem in einer einleitenden Kurzfassung, der Ausschuss verlange „in Deutschland die Einrichtung von „Justizräten“, wie es sie in den meisten anderen europäischen Staaten gibt, damit Richter und Staatsanwälte bei der Anwendung des Justizwesens mehr Mitsprache haben und den Ausschluss der Möglichkeit, dass Justizminister in Einzelfällen der Anklagebörde Weisungen erteilen können.“ Unter Punkt 4.2.3. heißt es: „in beiden Ländern ist die Unabhängigkeit der Staatsanwälte deutlich weniger entwickelt als im Vereinigten Königreich; eine deutliche Regression in der Praxis wurde kürzlich von hochrangigen Staatsanwälten bedauert und gewählten Vertreter von Richtern und Staatsanwälten in Frankreich“. (Original, English: „in both countries, the independence of prosecutors is considerably less developed than in the United Kingdom; a marked regression in practice has recently been deplored by senior prosecutors and elected representatives of judges and prosecutors in France„)

Dazu wird unter Punkt 5.4. und den zugehörigen Unterpunkten zusammenfassend für Deutschland die Empfehlung ausgesprochen – englischsprachiges Original:

The Assembly calls on Germany to:
5.4.1.
consider setting up a system of judicial self-administration, taking into account the federal structure of the German judiciary, along the lines of the judicial councils existing in the vast majority of European states, as a matter of securing the independence of the judiciary in future;
5.4.2. gradually increase the salaries of judges and prosecutors and to increase the resources available for legal aid (as recommended for France in paragraphs 5.3.2. and 5.3.3. above);
5.4.3. abolish the possibility for ministers of justice to give the prosecution instructions concerning individual cases;
5.4.4. strengthen in law and practice the supervision by judges of the exercise of the prosecutors’ increased powers, in particular in the fight against terrorism

Übersetzung (mit der Bitte um Entschuldigung, falls dies in der englischen Version ein zweites Mal vorhanden ist):
Die Versammlung fordert Deutschland auf,
5.4.1. die Einrichtung einer richterlichen Selbstverwaltung unter Berücksichtigung der föderalen Struktur der deutschen Justiz nach dem Vorbild der in der überwiegenden Mehrzahl der europäischen Staaten bestehenden Justizräte zu erwägen, um die Unabhängigkeit der Justiz in Zukunft zu sichern;
5.4.2. die Gehälter von Richtern und Staatsanwälten schrittweise anzuheben und die für die Prozesskostenhilfe zur Verfügung stehenden Mittel zu erhöhen (wie für Frankreich in den Ziffern 5.3.2. und 5.3.3. empfohlen);
5.4.3. die Möglichkeit der Justizminister abzuschaffen, der Staatsanwaltschaft Weisungen für einzelne Fälle zu erteilen;
5.4.4. die richterliche Aufsicht über die Ausübung der erweiterten Befugnisse der Staatsanwaltschaft, insbesondere bei der Terrorismusbekämpfung, rechtlich und praktisch zu verstärken
. (Bericht: Dokument 11993, 7.August 2009: https://assembly.coe.int/nw/xml/xref/xref-xml2html-en.asp?fileid=12276&lang=en; https://www.gewaltenteilung.de/europarat-pressemitteilung/)

Würde die Bundesrepublik heute zu einem Anwärter auf einen EU-Betritt, wäre die Lage der Justiz hierzu sicherlich ein Hindernis und die BRD ein fragwürdiger Beitrittskandidat. Da Deutschland mit zu den Gründungsmitgliedern der EWG, EG und damit der EU gehörte, war dies nie ein Thema. Die jetzigen Reformforderungen werden stillschweigend missachtet. Sie fanden hierzulande keinen Widerhall und gingen mit den wenigen damaligen Pressemeldungen unter.

Bemerkenswert ist es, wie man angesichts der hiesigen Lage vollmundig andere Staaten, wie etwa Polen oder Ungarn, wegen der dortigen Justizreformen beschuldigt, die Justiz in Abhängigkeit zu bringen und den Rechtsstaat zu gefährden. In der Bundesrepublik Deutschland sollte zuerst daran gearbeitet werden, die Rechtsstaatlichkeit im eigenen Lande zu verbessern oder überhaupt herzustellen, bevor man auf andere Staaten zeigt.

Die horizontale und vertikale Gewaltenteilung in der BRD

Die klassische Gewaltenteilung in Legislative, Exekutive und Judikative wird als Horizontale Gewaltenteilung bezeichnet. Diese sollen in einem föderal aufgebauten Staat wie der BRD auf Bundesebene wie auch in den Bundesländern vorzufinden sein.

Die Vertikale Gewaltenteilung beschreibt die Teilung zwischen der Bundes- und der Länderebene im Föderalstaat, in der BRD zwischen Bundesebene und den Bundesländern. Durch diese Art des Staatsaufbaus soll ein Ausgleich der Gewalten über die föderalen Ebenen stattfinden. Funktionieren könnte dies allerdings nur dann, wenn auch diese Ebenen eine gewisse Trennung und Unabhängigkeit voneinander besäßen, es keine großen „Klammereffekte“ zwischen den Bundes- und Landesinstitutionen gäbe.

Der Bundesrat

Der Bundesrat übernimmt als eine zweite Parlamentskammer auf Bundesebende die parlamentarische Vertretung der Bundesländer. Einige westliche Staaten verfügen über ein zweites Parlament (eine zweite Kammer) beziehungsweise ein Zweikammerparlament. In der BRD wird allerdings der Bundesrat als zweite Parlamentskammer und Bundeslegislativorgan nicht durch Wahlen der Bürger unmittelbar besetzt. Sondern der Bundesrat setzt sich zusammen aus Regierungsmitgliedern der Bundesländer, meist den Ministerpräsidenten und weiteren Regierungsvertretern der Länder. Die Bundesländer entsenden je drei bis sechs Mitglieder in den Bundesrat, abhängig von ihrer Größe.

Sofern Oppositionsfraktionen auf Bundesebene (im Bundestag) durch eine Regierungsbeteiligung in einem oder mehreren Bundesländern politisch „einen Fuß in der Tür“ haben, vermögen sie unter Umständen über den Bundesrat, Einfluss auf gesetzgeberische Entscheidungen auf Bundeseben zu nehmen. Für zustimmungspflichtige neue Bundesgesetze wird die Zustimmung des Bundesrates benötigt. Aber der Bundesrat kann selbst auch Gesetzentwürfe für Bundesgesetze im Bundestag einbringen.

Inwieweit der Bundesrat die vertikale Gewaltenteilung festigt und tatsächlich eine Mittlerrolle der Bundes- und Länderebene innehat, ist mit Bestimmtheit nicht in Kürze darzustellen. Man kann mit hoher Wahrscheinlichkeit zu dem Konsens gelangen, dass ohne den Bundesrat die geschilderten Mängel der Gewaltenteilung schwerwiegender zum Tragen kämen. Allerdings wird auch hier die Klammer über die Gewalten und die politischen Bund-Länder-Ebenen durch die Parteien gebildet. Parteiinteressen und -seilschaften schwächen ein gewaltenteiliges politisches System, sofern man diesem nicht Einhalt gebietet.

Das Bundesverfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) der BRD spielt in der Beachtung durch Politik und Medien eine besondere Rolle und hat eine wesentliche Funktion inne. Es ist vergleichbar mit Verfassungsgerichtshöfen anderer Länder, hat allerdings eine besonders hohe Stellung. In der Regel haben Entscheidungen der Verfassungsgerichte oder Verfassungsgerichtshöfe in den meisten Staaten nur empfehlenden Charakter. In der Bundesrepublik sind die Entscheidungen des Verfassungsgerichtes rechtlich bindend.

Das deutsche Bundesverfassungsgericht ist unterteilt in zwei Kammern zu je 8 Mitgliedern. Deren insgesamt 16 Mitglieder, die Bundesverfassungsrichter und Bundesverfassungsrichterinnen, werden je zur Hälfte durch den Bundestag und den Bundesrat durch Vorschlag und Wahl bestimmt. Nach der Wahl werden die Gewählten durch den Bundespräsidenten als Verfassungsrichter vereidigt. Das Vorschlagsrecht für die Kandidaten bleibt allerdings den Fraktionen vorbehalten, wobei sich die Fraktionen der sogenannten Volksparteien, SPD und CDU/CSU, traditionell mit den Vorschlägen abwechseln. Mit bestimmter Regelmäßigkeit treten diese allerdings das Vorschlagsrecht an die Bündnis-Grünen (B90/Die Grünen) und die FDP ab. Die SPD überlässt den GRÜNEN in der Regel gelegentlich einen Vorschlag und die Unionsfraktion der FDP.

Wie man hieraus ersieht, geht das Vorschlagsrecht für Kandidaten an den beiden derzeitigen Oppositionsparteien, DIE LINKE und AfD, vorüber. (Wie sich das künftig mit den neu entstehenden Parteien, Bündnis Sahra Wagenknecht und der WerteUnion-Partei gestalten wird, bleibt abzuwarten. Eine zahlenmäßig und in der Bedeutung steigende Opposition kann nicht weiterhin in dieser Weise unterdrückt werden.)
Eine Chance auf Wahl hätten ihre Kandidaten ohnehin nicht, was man bei der erforderlichen Zweidrittel-Mehrheit mit Sicherheit sagen kann.

Eine eigene Bewerbung als Kandidat ist nicht möglich, womit Fraktionen beziehungsweise Parteien – bestimmte Parteien – alleinig über Kandidatenauswahl befinden. Es obliegt also voll und ganz den führenden, etablierten Partei-Fraktionen im Bundestag – und damit indirekt den Parteizentralen einiger Parteien oder parteilich gebundenen Vertretern im Bundesrat, die höchsten Richter der Bundesrepublik zu bestimmen.

Wie man an diesem einen Beispiel sieht, spielen Parteizugehörigkeit und parteigebundene Verortung eine erhebliche Rolle bei der Wahl der Verfassungsrichter und damit der Zusammensetzung des obersten Gerichtes im Ganzen. Und nicht nur das: es ist auch unter Gesichtspunkten der klassischen Gewaltenteilung als bedenklich anzusehen, wenn die Legislative wichtige Mitglieder eines tragenden Bereiches der Judikative bestimmt, ohne dass wenigstens ein externes Vorschlagsrecht oder die Möglichkeit der freien Bewerbung als Verfassungsrichter besteht.

Zudem soll das Bundesverfassungsgericht die Exekutive aber auch die Legislative kontrollieren. Doch wenn die Legislative in Verbindung mit der Exekutive die sie kontrollierenden Verfassungsrichter selbst bestimmt beziehungsweise wählt und diese nicht selten zuvor selbst Abgeordnete waren, ist diese Kontrolle wohlwollend als schwach ausgeprägt zu bezeichnen. Eine fragwürdige Interessenverbindung oder ein Widerspruch zu dem Anspruch an Trennung von Organen und Personen ist hier offenkundig.

Heikel ist es ebenfalls, wenn der Bundesrat als Legislativorgan, besetzt mit Vertretern der Exekutive (der Bundesländer) die andere Hälfte der Verfassungsrichter wählt und hierbei der Einfluss derselben Parteien zur Geltung kommt, wie sie mehrheitlich im Bundestag wie auch in den Länderparlamenten über Mehrheiten verfügen und die Regierungen stellen.

In jedem Falle werden durch diese Art der Richterauswahl für das höchste Gericht rechtsstaatliche Grundsätze in Frage gestellt. Das soll nicht heißen, diese Kontrolle von Legislative und Exekutive durch das BverfG sei ausgeschlossen, aber sie ist systembedingt als unzureichend gegründet anzusehen, und die Gefahr der Ausrichtung an Partei- und Regierungslinie wie auch Regierungszielsetzungen ist gegeben.

Es wird in den vergangenen Jahren sogar zunehmend Kritik laut, die Übergriffe des BVerfG gegenüber der Legislative beklagt, also in umgekehrter Weise, wie man nach obiger Schilderung befürchten muss. So Professor Dr. Dr. h.c. Dietmar Willoweit: „Heute liegt es nahe, die Unabhängigkeit der gesetzgebenden Gewalt gegen Anmaßungen der Rechtsprechung zu verteidigen. Sie hat auf Kosten des Parlaments in einem solchen Umfang an Boden gewonnen, dass Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der gerichtlichen Praxis aufkommen müssen.“ Und Willoweit weiter: „Es bedarf hier keiner einzelnen Nachweise, um an so bekannte Erscheinungen wie die Erfindung neuer Grundrechte durch das BVerfG zu erinnern oder an die Weisungen dieses Gerichts für eine verfassungskonforme Gesetzgebung.“ (JuristenZeitung, 17. Jahrg., 6. Mai 2016, S. 431).
Inwieweit diese Übergriffe oder Anmaßungen nur äußerlich als solche erscheinen aber möglicherweise im Hintergrund auf Übereinstimmung oder Vereinbarungen basieren, lässt sich spekulieren. Hochgradig bedenklich ist dieses Phänomen jedenfalls.

Der Verfassungsschutz – VS

Eine weitere Besonderheit der BRD: die Ämter für Verfassungsschutz (Verfassungsschutz, kurz VS). Neben dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) und dem Bundesnachrichtendienst (BND) ist der VS mit seinem Netzwerk aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und den Landesämtern für Verfassungsschutz (LfV) einer der Geheimdienste der Bundesrepublik. Sowohl die Landesämter für Verfassungsschutz wie auch das Bundesamt für Verfassungsschutz werden geleitet von Verfassungsschutzpräsidenten.

Der Verfassungsschutzpräsident des BfV wird vom Bundesinnenminister in Abstimmung mit dem Bundeskabinett, also der Bundesregierung, vorgeschlagen und anschließend durch den Bundespräsidenten ernannt. Die Ernennung des BfV-Präsidenten erfolgt auf unbestimmte Zeit. Er kann vom Bundespräsidenten nur auf Antrag der Bundesregierung oder auf Vorschlag des Bundesinnenministers entlassen werden. Der Präsident des BfV untersteht damit direkt der Bundesregierung.

Analog verhält es sich in den meisten Bundesländern ähnlich mit den Präsidenten der Landesämter für Verfassungsschutz. Es wird hier im Benehmen zwischen Regierungskabinett und Innenminister, also nach Abstimmung innerhalb der Landesregierung, ein neuer Präsident für das betreffende LfV vorgeschlagen. In einigen Bundesländern wird ein Verfassungsschutzpräsident vom Landtag gewählt. Ein Unterschied zur Bundesebene besteht darin, dass die neuen Verfassungsschutzpräsidenten vom Innenminister des Bundeslandes selbst ernannt werden. Bei der tragenden und öffentlichkeitswirksamen Rolle dieses Geheimdienstes, seinem Einfluss und seiner in vielerlei Weise kritisierten und zumeist intransparenten Arbeitsweise ist diese unmittelbare Verbindung sowie die Abhängigkeit des Verfassungsschutzes von der Exekutive als heikel anzusehen.

Deutlich wurde der deutschen Öffentlichkeit die Mangelhaftigkeit dieses Wahlverfahrens des Bundesverfassungsschutzpräsidenten in 2018 durch die Einflussnahme der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Merkel machte ihren Einfluss geltend, um den Kandidaten Armin Schuster zu verhindern, der schon durch vorherige Absprachen zwischen dem Bundesinnenminister, Horst Seehofer, und einigen führenden Parlamentariern als sicher galt. Schuster war bei Merkel offenbar unbeliebt, weil er in der Vergangenheit ihre Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik kritisierte. Darauf wurde Thomas Haldenwang (CDU) zum jetzigen Verfassungsschutzpräsidenten ernannt. Haldenwang macht von Beginn an auf sich aufmerksam, weil er in Worten und Taten verdeutlicht, dass er rechte Opposition massiv bekämpft. Er erklärt offen bestimmter Opposition den Kampf und handelt entsprechend offensiv und öffentlichkeitswirksam.

Seit dem Bestehen des Verfassungsschutzes wird dieser von Skandalen begleitet. Auch Missbrauch des Einflusses der Verfassungsschutzämter gegen Opposition oder bestimmte Medien oder Personen gerichtet, gehört zu den häufig hervorgebrachten Vorwürfen und sind in einigen Fällen nachgewiesen.

Zur Arbeitsweise und Methode des VS gehört es, sogenannte „V-Männer“, heute meist als „V-Leute“ bezeichnet, einzuschleusen. V-Mann steht für „Vertrauensmann“. V-Leute sind verdeckte Ermittler, welche häufig als Verbindungsleute angeworben werden und oft aus der untersuchten beziehungsweise ausgespähten Organisation oder dem zugehörigen Umfeld angehören oder dort geplant eingeschleust werden. Allerdings gehört zu deren Aufgabe nicht nur ermitteln, spionieren – also Informationen zu beschaffen, sondern auch aktiv tätig zu werden bis hin zu kriminellen Handlungen, um so unentdeckt zu bleiben, Vertrauen zu erhalten und sogar Geschehnisse und Personen weitreichend zu beeinflussen.
Öffentlich wurde dies im bekannten Falle des gescheiterten NPD-Verbotsverfahrens, 2001 bis 2003 (NPD – Nationaldemokratische Partei Deutschlands). Das Bundesverfassungsgericht lehnte den Antrag auf Verbot der Partei ab, da durch die umfassende Tätigkeit des VS innerhalb der Partei nicht unterscheidbar war, welche Handlungen und Aussagen im eigentlichen Sinne Aktivität der NPD selbst waren und was auf Betätigung von eingeschleusten Verfassungsschutz-V-Leuten zurückging. Das heißt, der VS hat durch jahrelange Betätigung, offenbar sogar über Jahrzehnte, die Partei in einer Weise maßgeblich selbst beeinflusst und gestaltet, was ihren Charakter und ihr Wesen grundlegend prägte, womit sie zum wesentlichen Teil ein Produkt des VS ist beziehungsweise war und weniger eine eigenständige Entwicklung durchlief.
Man kann nicht nachvollziehen, wie diese Partei ohne das Wirken des VS ausgesehen und sich entwickelt hätte. Die Vermutung liegt nahe, dass die NPD ohne VS eine andere Partei hätte sein könnte.

Das ist ein Beispiel von vielen, was an rechtsstaatlichen Maßstäben gemessen starke Zweifel hervorrufen muss an Sinn und Zweck und vor allem der Arbeitsweise dieses deutschen Inlandsgeheimdienstes beziehungsweise dieses Geheimdienst-Netzwerkes. Und als besonders schwierig ist es folglich anzusehen, wenn Regierungspolitiker und indirekt Parteifunktionäre Einfluss auf solch ein Organ nehmen können und es an Transparenz in schwerwiegender Weise mangelt.

Gegründet wurde der Verfassungsschutz (VS) 1950 durch Initiative der drei Alliierten Hohen Kommissare der Besatzungsmächte in der West-Besatzungszone beziehungsweise der noch jungen Bundesrepublik.
Zweifel zu Sinn, Arbeitsweise und Methode wie auch möglichem Missbrauch des VS kommen von verschiedenen Seiten, aus unterschiedlichen politischen Lagern oder Parteien.

Zunehmend sieht sich der Verfassungsschutz mit dem Vorwurf konfrontiert, die großen Parteien zu schützen, nicht aber die verfassungsgemäße Ordnung im Land. Auch einseitig zu agieren, Regierungsschutz und Mittel zur Oppositionsbekämpfung zu sein, wird erklärt. Es bedürfte einer eingehenden Analyse, inwieweit diese Bewertungen und Einschätzungen berechtigt sind. Jedenfalls ist es als hoch bedenklich anzusehen, dass der Verfassungsschutz, sowohl auf Landes- wie auch auf Bundeseben, der jeweiligen Regierung untersteht und dazu die zuständige Regierung den betreffenden Verfassungsschutzpräsidenten ernennen kann. Es ist kein Geheimnis, dass Regierungen beziehungsweise Innenminister (im Falle Berlins der Innensenator) bisweilen direkte Weisungen an Verfassungsschutzämter erteilten. Solche Fälle wurden bekannt. Ein derart großer und einflussreicher Inlandsgeheimdienst darf nicht in dieser Weise fest an die Exekutive gekoppelt sein. Damit ist auch ein Einfluss der regierungsnahen Parteien gegeben.

Zu den Kritikern am VS und dessen Vorgehen gehören Staatsrechtler, Vertreter mancher Parteien und auch der linke Jurist und Bürgerrechtsaktivist Rolf Gösser, der für 38 Jahre vom VS wegen „Kontaktschuld“ beobachtet wurde. Ein abschließendes Urteil des Verwaltungsgerichts Köln von 2011 stellt fest, dass die Langzeitbeobachtung Gössers durch den VS rechtswidrig war.
Bestätigt wird dieses Urteil 2018 durch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster. Derartige Fälle sind keine Einzelfälle. Rolf Gösser selbst vergleicht den Verfassungsschutz und dessen Methoden mit der Staatssicherheit der DDR, (Staatssicherheit, StaSi).

Politische Parteien

Da es zur Zeit Montesquieus keinen Parlamentarismus und keine Parteien gab, wie wir es heute kennen, konnten politische Parteien und deren Fraktionen in Parlamenten selbstverständlich in seinen Theorien keine Berücksichtigung finden. Die Lebenswirklichkeit staatlicher und gesellschaftlicher Strukturen hat sich hin zu mehr Komplexität entwickelt und weicht damit in Teilen von den Idealen und Annahmen Lockes und Montesquieus ab. Wenn wir die aktuelle Lage von Rechtsstaatlichkeit und Staatsaufbau, gemessen an heutigen Gegebenheiten theoretisch erörtern wollen, kommen wir nicht umhin, weitere Kräfte zu betrachten, neben den drei von Montesquieu beschriebenen staatlichen Gewalten. Diese Kräfte gilt es als zusätzliche Faktoren im Gesamtgefüge staatlicher wie auch internationaler Wirkmechanismen zu berücksichtigen. Parteien sind ein solcher Faktor.

Die politischen Parteien bilden in den modernen Staaten Verbindungselemente zwischen den Staatsgewalten. Ihnen wird häufig mit kritischem Fingerzeig die Rolle einer weiteren Gewalt oder Macht zugeschrieben, da ihre Vertreter in allen Bereichen der staatlichen Strukturen Aufgaben erfüllen oder Einfluss ausüben und die Meinungsbildung des Wahlvolkes, neben den Leitmedien, stark beeinflussen.

Die Rolle und die vielfältigen Einflussmöglichkeiten der Parteien werden in den vergangenen Jahren in Deutschland zunehmend kritisch bewertet.
Die gut vernetzten Mitglieder oder Führungspersonen von Parteien – in der Hauptsache der größeren, etablierten Parteien – sind vertreten in Parlamenten, in Regierungen, Räten (beispielsweise Rundfunkräte der Öffentlich-rechtlichen Medienanstalten), Verwaltungen, verfügen über Verbindungen zu weiteren einflussreichen Organisationen und Multiplikatoren (Lobby-Organisationen, Vereine, Verbände, politische nicht-parlamentarischen Gruppen und anderen). Der Einflussbereich von Parteien oder bestimmter bedeutender Parteimitglieder reicht bis in die Wirtschaft oder Medien, oder sie sind vernetzt mit den zunehmen einflussreichen, international tätigen Nicht-Regierungsorganisationen (engl. Abk. NGO).

In vielen Staaten, besonders ausgeprägt in Deutschland, ist die Parteizugehörigkeit oder zumindest eine gute Verbindung zu bestimmten Parteien auch maßgeblich für die Berufung in bestimmte richterliche Positionen oder die erfolgreiche Laufbahn als Richter, wie zuvor erklärt. Was die Staatsanwälte betrifft, ist es in der BRD ähnlich gelagert. Gerade in der Bundesrepublik Deutschland kann die Stellung und der Einfluss der Parteien nicht überschätzt werden. In ‚Konrad Duden: Richterwahl und parteipolitische Einflussnahme – Vergleichende Anregungen zum Schutz der Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts und der obersten Bundesgerichte‘ (deutsch) stellt der Verfasser einen internationalen Vergleich an zwischen den Situationen in verschiedenen Staaten und möglichen Gefahren des Einflusses starker Parteien (Konrad Duden, ‚Richterwahl und parteipolitische Einflussnahme. Vergleichende Anregungen zum Schutz der Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts und der obersten Bundesgerichte‘; ISSN 0033-7250 – © 2020 Mohr Siebeck. – hier online zu finden.

Nicht zuletzt wirkt der Parteienproporz beziehungsweise die Fraktionsstärke in zahlreiche Gremien hinein. Dazu gehören Ausschüsse in Parlamenten. Diese werden gemäß Größe der Parteifraktionen besetzt, womit die größeren Fraktionen, die in der Regel die Regierungskoalition bilden und damit naturgegeben der Regierung nahestehen, auch in parlamentarischen Ausschüssen ein Übergewicht erhalten. Damit wird der Einfluss der stimmunterlegenen Oppositionsfraktionen in solchen für die parlamentarische, gesetzgeberische Rolle wichtigen Gremien marginalisiert, wie dies auch der Fall ist in parlamentarischen Abstimmungen und zugewiesenen Redezeiten oder Vorschlagsrechten. Der lange Arm der Regierung reicht damit weit in das Parlament hinein.
Gewiss kann man diesbezüglich erwidern, dass diese Kräfteverhältnisse dem Wählerwillen entsprechen. Doch in der parlamentarischen Wirklichkeit zeigt es sich, dass die Opposition in vielerlei Hinsicht gegenüber den Koalitionsfraktionen auf verlorenem Posten stehen und damit in der Konsequenz der Wille der Wähler von Oppositionsparteien allenfalls ungenügend zur Geltung kommt. Ganz besonders ausgeprägt kann diese Unterdrückung des Wählerwillens ausfallen, wenn zwei oder sogar drei Parlamentsfraktionen über Koalitionen gezielt relativ starke Oppositionsfraktionen in die Ecke drängen.

Laut Grundgesetz Artikel 21 Absatz 1 Satz 1 wirken die Parteien an der Willensbildung des Volkes mit. Das Grundgesetzt räumt den deutschen Parteien somit den Rang eines Verfassungsorgans ein. Was hier so harmlos klingt, ist hierzulande seit Jahrzehnten in übersteigerter Form weitreichende Wirklichkeit.
Gefördert wird dies durch die inzwischen üppige staatliche Parteienfinanzierung mittels Wahlkampfkostenpauschale, Spendenzuschuss und nicht zuletzt die Finanzierung der parteinahen Stiftungen (tatsächlich in den meisten Fällen als eingetragene Vereine organisiert) – alles zusammen etwa 800 Millionen Euro jährlich, wovon 20 Parteien Mittel erhielten. Selbstverständlich geht der Großteil davon an die Bundestagsparteien; den mit Abstand geringsten Anteil erhält unter diesen die Alternative für Deutschland (Alternative für Deutschland, AfD), da ihre parteinahe Stiftung derzeit keine Mittel erhält und Bestrebungen offen verkündet werden, dies auch künftig, entgegen der üblichen Regeln und Gepflogenheiten, weiterhin so beizubehalten.
Es wird nun spannend zu sehen, wie in den kommenden Jahren mit den jetzt neu gegründeten Parteien verfahren wird: Dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und der Abspaltung aus der CDU, die WerteUnion-Partei (Werte Union).

Der bekannte deutsche Verfassungsrechtler Professor Hans Herbert von Arnim hat vielfach durch erfolgreiche Klagen, Schriften und Gutachten bezüglich Parteienfinanzen, Abgeordnetendiäten und Bezügen von Regierungsmitgliedern die Rücknahme von Gesetzen erreicht. Hans Herbert von Arnim legt auch mit zahlreichen Büchern in Laufe von Jahrzehnten den Finger in die Wunden. Er gilt als einer der sachkundigsten und einflussreichsten Kritiker, was den Einfluss und die Finanzierung von Parteien und Parteienfilz in Deutschland betrifft. In seinem jüngeren Buch „Die Angst der Richter vor der Macht“, Erstauflage 2015, Neuauflage 2020, geht von Arnim der Problematik anhand seiner Erfahrungen erneut auf den Grund, Kritik am Bundesverfassungsgericht inbegriffen.

Die tiefgreifende Verknüpfung der Staatsgewalten – im Zusammenhang mit der Einflussnahme auf Meinungen, Wissensstand und ideologische Ausrichtung in der Bevölkerung durch die Parteien – bringt ein System hervor, welches gelegentlich als „Gelenkte Demokratie“ bezeichnet wird. Der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker erklärte 1992 in einem Interview: „Die Parteien haben sich den Staat zur Beute gemacht.“, die Parteien seien „machtversessen“.

Hat man in Deutschland wirklich aus der Geschichte gelernt?

Hierzulande wird allzu häufig und mit Inbrunst auf die jüngere Geschichte verwiesen – ‚Drittes Reich‘ und ‚Deutsche Demokratische Republik‘ (DDR). Wir sollen aus den Fehlern der Vergangenheit Lehren ziehen, wird von verschiedenen Seiten zu allen denkbaren und auch weniger passenden Gelegenheiten wiederholt.
Ausgerechnet Parteien wird heute durch das Grundgesetz und de facto im gesamten Staatssystem eine derartige Einflussfülle zugewiesen, wie oben beschrieben.

Es sollten als Lehre aus der Geschichte unbedingt wachsam das Augenmerk auf Parteien, ihre Hierarchien und Einflussmöglichkeit und den Drang, den Staat zu beherrschen, gelegt werden! Hat nicht ab 1933 die Nationalsozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (NSDAP) – parlamentarisch ermächtigt – ein diktatorisches Führerprinzip, verbunden mit einer Parteienherrschaft verwirklicht? So etwas, in der weitreichenden Form, hätten 1933 Volksabstimmungen bei Weitem nicht vermocht; ja, womöglich wäre durch Direkte Demokratie die Machtergreifung nicht erfolgt. Daraus kann man schlussfolgern, dass auch demokratisch zustande gekommene Parlamente kein sicheres Bollwerk gegen die Entstehung einer Diktatur darstellen.

Ebenso war die DDR ein Parteienstaat, welcher, ebenfalls als Willkürherrschaft mit der Sozialistischen Einheitspartei (SED), eine Parteidiktatur schuf und aufrechterhielt. Wie in allen diktatorischen, sozialistischen und kommunistischen Staaten stand die Partei mit ihren Funktionären im Zentrum, und diese konnten weitgehend unberührt von rechtsstaatlichen Strukturen, geordnet durch getrennten Staatsgewalten und Machtverteilung, handeln.
Beiden Systemen gemein ist, dass in Abwesenheit von Gewaltenteilung die Parteiführer, Kader aus Partei und Parteifunktionäre die Staatsgeschäfte und -vorgänge lenkten, Karrieren bestimmten, Ministerien, Justiz und Geheimdienste kontrollierten und damit eine totalitäre Herrschaftsform verwirklichten.

Gefährlich wird es für einen Rechtsstaat und damit für Freiheit und Gerechtigkeit, wenn relativ kleine Gruppen von Menschen, von dem Glauben beseelt das einzig Richtige zu tun und die Geschichte oder die Moral auf ihrer Seite zu haben, ihre ideologischen oder persönlichen Ziele weitgehend ungehemmt durchsetzen können.

Dass ein kritisches Bewusstsein ausgerechnet in Deutschland heute fehlt für die Gefahren, die gerade von Parteien beziehungsweise Parteivormacht ausgehen können, lässt den Schluss zu, dass das Bestreben aus der Geschichte zu lernen, in mancherlei Hinsicht offenbar ausgeblendet wird. Allerdings: Hier muss man konkreter werden. Auf die Gefahren von Parteien wird heute gerne hingewiesen, wenn es um Oppositionsparteien geht. Was die bestehenden Strukturen und den Einfluss der seit Jahrzehnten bestehenden, etablierten Parteien betrifft, ist man auf wenigstens einem Auge blind.

Weitere externe Kräfte und Einflussfaktoren

In einer zunehmend komplizierten politischen Welt mit weiteren nationalen aber vor allem internationalen oder supranationalen Akteuren müssen in einer erweiterten Schau auf wichtige Einflussfaktoren und entscheidungsrelevante Institutionen und heute wichtige zusätzliche Kräfte eingehend betrachtet werden:
Die EU und andere supranationale Organisationen, in welchen ein Staat Mitglied ist oder mit welchen dieser Staat vertraglich verbunden ist (z.B. UNO mit allen Unterorganisationen, NATO, OSZE u.a.),
Nicht-Regierungsorganisationen,
Transatlantische und überstaatliche Netzwerkorganisationen,
Lobbyverbände.

Selbstverständlich drängt es sich vom Grundsatz her auf zu hinterfragen, inwieweit der Einfluss der EU auf die politischen Vorgänge und die Gesetzgebung in den europäischen Mitgliedsstaaten rechtsstaatlich zu rechtfertigen ist. Zusätzlich wird indirekt auf die Meinungsbildung und die gesellschaftliche Entwicklung massiv eingewirkt.

Nur weil den Bürgern seit Jahrzenten erklärt wird, das Voranschreiten der „europäischen Integration“ in dem Maße sei fortschrittlich, wichtig und würde bestimmten hehren Zielen und dem Frieden und der Wirtschaft dienen, bedeutet dies noch lange nicht, dass der zunehmende umfassende Einfluss der EU-Kommission und des EuGH und weiterer Institutionen auf alle Lebensbereiche und der damit verbundene Abbau staatlicher Souveränität und rechtsstaatlicher Ordnung legitimierbar ist. Immerhin üben den Bürgern teils kaum bekannte, nicht gewählte Personen eine Macht über die Politik in den Mitgliedsstaaten aus, die hochgradig bedenklich ist.

Dies ist auch dann zu hinterfragen, wenn das deutsche Bundesverfassungsgericht derartige „Fortschritte“ absegnet. Denn in dem Zusammenhang gilt es zu betrachten, wie es um die Unabhängigkeit und Objektivität des BVerfG bestellt ist.  Vor allem darf nicht darüber hinweggesehen werden, dass die Europäische Union zum einen selbst nicht über einen zureichend rechtsstaatskonformen und demokratischen Aufbau verfügt: Maßgebliche EU-Funktionäre werden nicht demokratisch gewählt – die Zusammensetzung und die Arbeitsweise der einflussreichen Kommission entzieht sich der Mitbestimmung der Wähler in den Mitgliedsstaaten und ist intransparent. Zum anderen werden Souveränität und Handlungsbefugnisse von demokratisch bestimmten Staatsorganen ausgehebelt. Sicherlich können der Wert und die Wirkung der EU mit ihren verschiedenen Organen nicht an dieser Stelle abschließend behandelt werden; das ist nicht Aufgabe dieser Abhandlung. Aber es wird deutlich, dass die EU selbst mit ihrem Einfluss auch kritisch betrachtet werden muss, sofern man sich mit der Rechtsstaatlichkeit und dem Zustand der Gewaltenteilung in den europäischen Staaten auseinandersetzt.

Schaubild: Gewaltenverschränkung, Staatgewalten in der Bundesrepublik Deutschland, heute
Bild: Bundeszentrale für Politische Bildung, BPB
Auf dem Schaubild wird die Vernetzung der Staatsgewalten in der Bundesrepublik Deutschland deutlich.

zu Teil 3

1 Kommentar

  1. Diese offenkundige Staatsimulation, war niemals als Heimat der Deutschen gedacht!
    Allein der für Hilfesuchende, bereitgehaltene ,,Rechtsweg“, welcher ja regelmäßig in Sackgassen weiterführender Nachteile mündet, verschanzt sich hinter einer Organisation, deren Definierung schon zu weit führt.

    Methoden der Offensichtlichkeit, zeichnen den Weg, u. a. der höchsten Würdenträgerin. Sie erhielt auch den höchsten Orden der Israelis.

    Mit jedem Steuergroschen, den ich zahlte, trug ich zu unserem Niedergang bei!

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