Inhalt
Teil 1
„Verschwörungstheorie“: Ursprung eines Begriffes und dessen Gebrauch
Woher kommt der Begriff „Verschwörungstheorie“?
Wer sind Verschwörungstheoretiker und wer ihre Feinde?
Was wird heute als Verschwörungstheorie bezeichnet?
Wodurch die Entstehung von Verschwörungstheorien begünstigt werden
Teil 2
Verschwörungstheorie, Verschwörungstheoretiker, Fake-News – Entstehen, Unterscheidungen und Bedeutung
Die USA werden heute häufig als Ursprung und Hotspot der Verschwörungstheorien angesehen – naheliegende Gründe hierfür
Ein Beispiel aus der früheren Zeit der USA
Mehrere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit
„Verschwörungstheorien“, die aus Misstrauen gegen Regierung, Militär und Geheimdienst entstanden
Die Gemütslage in den USA
Teil 3
International verbreitete oder diskutierte „Verschwörungstheorien“
Weshalb Verschwörungstheorien entstehen
Eine Verschwörungstheorie füllt eine Lücke
Nicht nur in den USA – in der gesamten westlichen Welt finden inzwischen Misstrauen und „Verschwörungstheorien“ zunehmend Verbreitung
Vorläufiges Fazit: Die verschiedenen Arten von Verschwörungstheorien kurz kategorisiert
Kampfbegriffe gegen Meinungsäußerungen und freies Denken
Was dies mit Donald Trump zu tun hat
Fazit und Bewertung
Verschwörungstheorie, Verschwörungstheoretiker, Fake-News – Entstehen, Unterscheidungen und Bedeutung
Die USA werden heute häufig als Ursprung und Hotspot der Verschwörungstheorien angesehen – naheliegende Gründe hierfür
Verschwörungstheorien wie auch grobe Lügen wurden in den Vereinigten Staaten von Amerika in der Vergangenheit häufig durch Politiker oder Medien in die Welt gesetzt, um damit in der Öffentlichkeit etwas Bestimmtes zu erreichen, Stimmungen hervorzurufen oder die Mehrheit der Bürger zielgerichtet in ihrer Meinungsbildung zu beeinflussen.
Der Historiker und Philosoph Richard Hofstadter, der sich mit Verschwörungsphantasien befasste, analysierte in der ersten Hälfte der 1960er Jahren im Essay „The Paranoid Style in American Politics“ (Der paranoide Stil amerikanischer Politik). Hierin legt er dar, wie mit einem seiner Ansicht nach weit verbreiteten „paranoiden Stil“ in der amerikanischen Politik gearbeitet wurde. Debatten wurden damit emotionalisiert und Sachlichkeit beseitigt. Hofstadter erläutert, weshalb er den Begriff „paranoiden Stil“ verwendet. Dennoch wurde in späteren Kritiken an seinem Werk die Verwendung dieses Begriffes wiederholt bemängelt.
Im Laufe der US-Geschichte wurden immer wieder mittels Verdächtigungen und veröffentlichten Verschwörungsphantasien gegen bestimmte Gruppen von Menschen agitiert und die Massen der Bevölkerung in den Zustand von Verunsicherung oder Abneigung versetzt. Obwohl er ursprünglich zornige Gemüter vor allem bei der politischen Rechten am Werk sah und daher seinen Betrachtungsschwerpunkt hierauf legte, machte Hofstadter den paranoiden Stil bei verschiedenen Akteuren in den USA aus, unabhängig von einer bestimmten politischen Ausrichtung. Er erklärte, es sei ein Denkstil, der weder neu noch unbedingt rechts ist.
Ein Beispiel aus der früheren Zeit der USA
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die anti-katholische Bewegung in den USA sehr stark, bei deren Ursprüngen evangelikale Frauen eine große Rolle spielten. Einzelne Personen und Zeitungen führten mit drastischen Verschwörungsbehauptungen einen Feldzug gegen Katholiken, ihre Einrichtungen und weitere katholische Einwanderung. Das gipfelte in den 1850er Jahren. Es wurde unter anderem in einem Zeitungsartikel behauptet: „Es ist eine notorische Tatsache, dass die Monarchen Europas und der Papst von Rom gerade in diesem Moment unsere Zerstörung planen und die Auslöschung unserer politischen, zivilen und religiösen Institutionen androhen.“
Doch von diesem jahrelangen Feuerwerk an Agitation und Unterstellungen gegen Katholiken mit geschürter Hysterie und Hass blieb nichts in der Realität übrig. Es wanderten weitere Katholiken ein, beispielsweise aus Irland und Italien, und es geschah nichts Verschwörerisches – die USA wurden nicht durch Katholiken und die Römische Kirche angegriffen oder gar zerstört.
Häufig stellte sich für die aufmerksame Öffentlichkeit im Nachhinein heraus, dass Behauptungen von Politikern oder der Regierung, Darstellungen in der Presse, geschürten Ängsten und wahnhaft beschworenen drohenden Gefahren aus Übertreibungen bestanden oder keinerlei Grundlage in der Wirklichkeit hatten.
„Man kann das gesamte Volk zeitweise täuschen, und einige des Volkes die ganze Zeit, aber man kann nicht das gesamte Volk die ganze Zeit täuschen.“
– Abraham Lincoln. (USA) Abraham Lincoln wurde geboren am 12. Februar 1809 bei Hodgenville, Hardin County (heute: LaRue County, Kentucky); er starb durch ein Attentat am 15. April 1865 in Washington D.C. Abraham Lincoln war von 1861 bis 1865 der 16. Präsident der USA.
Der laxe Umgang mit der Wahrheit oder dem, was als solche dargestellt wird, hat in den Vereinigten Staaten von Aemerika im politischen und medialen Geschehen eine lange Tradition. Propagandalügen werden lange schon als legitim betrachtet, um Stimmungen und Wahlen zu beeinflussen und andere politische oder auch wirtschaftliche Ziele zu erreichen. Es ist wahrscheinlich nicht als Zufall anzusehen, dass in den USA Manipulation und Propaganda früh schon wissenschaftlich untersucht und in der Folge auch für Marketingmethoden und Produktwerbung nutzbar gemacht wurden.
Ein bekannter Pionier auf diesem Gebiet war Edward Bernays mit seinen Büchern „Crystallizing Public Opinion“ und „Propaganda“ , aus den 1920er Jahren (1). Bernays und Ivy Lee waren in den USA Pioniere der Propagandatheorie und Public-Relations-Forschung, griffen allerdings selbst auf die Vorarbeit weiterer US-amerikanischer und europäischer Autoren zurück. Das Werk des Franzosen Gustave Le Bon, „Psychologie der Massen“ , von 1895, wird als Schlüssel für dieses Forschungsfeld und die Entwicklung von Massenpsychologie und Manipulation angesehen. Einige der zahlreichen Werke Le Bons sind bis heute von Bedeutung.
Fußnote:
(1) Edward Bernays war ein Neffe Sigmund Freuds und ein Urenkel des Hamburger Rabbiners Isaak Bernays. Seine Mutter war Freuds Schwester Anna, sein Vater Ely Bernays war der Bruder von Freuds Ehefrau Martha. (Quelle: Wikipedia – https://de.wikipedia.org/wiki/Edward_Bernays)
Mehrere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit
Der Irak-Krieg
Die Weise, wie die US-Regierung sich 2002 und 2003 einen Anlass für den Irak-Krieg konstruierte, ist so ein Fall von Regierungsseite ersonnener „Verschwörungstheorie“ der jüngeren Vergangenheit. Mittels falscher Behauptungen und Unterstellungen präsentierte man der Weltöffentlichkeit und den US-Bürgern die Darstellung, der Irak und vor allem der irakische Präsident Saddam Hussein stecke (ebenfalls) hinter den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA.
Als sich dies nicht im Geringsten erhärten ließ und offenkundig keine Anhaltspunkte dafür erkennbar waren, wurde die Behauptung gestreut, der Irak habe Massenvernichtungswaffen. Skeptische Europäer wurden beschimpft und verächtlich vonseiten der US-Regierung als das „alte Europa“ bezeichnet. Der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und sein Stellvertreter Paul Wolfowitz sowie der Außenminister Colin Powell waren im Wesentlichen die Verantwortlichen für diese Behauptungen, um so einen Kriegsvorwand zu erfinden. Der damalige britische Premierminister Tony Blair unterstützte dieses Vorgehen nach Kräften, und Großbritannien gehörte später zu der sogenannten „Koalition der Willigen“, die den Irak mit Krieg überzog. Wie sich herausstellte, waren dies Lügen, die als Vorwand dienten, um einen völkerrechtswidrigen und ethisch nicht vertretbaren Krieg zu beginnen und dafür Verbündete zu finden.
Diese Handlungsweise war in der US-Geschichte nicht das erste und nicht das letzte Mal der Fall.
Der Vietnam-Krieg
Vietnam war seit 1946 durch einen Kolonialkrieg und Stellvertreterkriege verschiedener Mächte und durch einen Bürgerkrieg gezeichnet (1) und wurde nun der Schauplatz eines Stellvertreterkrieges zwischen den USA zur Unterstützung Süd-Vietnams gegen die Sowjetunion und China auf Seiten des kommunistischen Nord-Vietnams.
Eine Katastrophe war dieser geopolitisch wie auch moralisch höchst fragwürdige Kriegseintritt der Vereinigten Staaten auch für das US-Militär und für hunderttausende getötete und körperlich wie seelisch versehrte Soldaten der US-Armee. Hinzu kam, dass Grausamkeiten und schwere Kriegsverbrechen des US-Militärs in diesem Krieg öffentlich wurden. Politisch und gesellschaftlich waren die Auswirkungen für die Vereinigten Staaten ebenfalls verheerend. Eine große Anzahl an verrohten, psychisch verletzten und gestörten Vietnam-Kriegsveteranen, die keine angemessene Behandlung und Betreuung durch die US-Armee erhielten, stellten für die Gesellschaft über Jahrzehnte eine erhebliche Belastung dar.
Mit dem vorgeblichen „Tonkin-Zwischenfall“ verschaffte sich die US-Führung im August 1964 mittels einer Lüge einen Vorwand, um in den Vietnam-Krieg einzutreten. Die Vereinigten Staaten stellten sich als Opfer eines militärischen Angriffes durch das kommunistische Nord-Vietnam auf das Schiff „Maddox“ in internationalen Gewässern dar. Aber nicht nur das: die US-Army operierte schon vor und während der Präsidentschaft von John F. Kennedy auf der Seite von Süd-Vietnam, unter anderem im Rahmen des ‚Operationsplanes 34A‘, in dem vietnamesischen Bürgerkrieg gegen das weitgehend kommunistische Nord-Vietnam.
In Wirklichkeit war die Lage in diesem Bürgerkrieg wesentlich komplizierter, als ‚kommunistischer Norden gegen den guten Süden‘. US-Geheimdienste teilten die Einzelheiten den Regierungsberatern detailliert mit. Aber dem wurde auf Regierungsseite keine Beachtung geschenkt.
Der US-Kongress verabschiedete aufgrund gezielter Irreführung durch falsche Informationen mit nur zwei Gegenstimmen, drei Tage nach dem herbeigelogenen Angriff auf die Maddox, die „Tonkin-Resolution„. Sie gab dem Präsidenten Lyndon B. Johnson die Vollmacht, „alle Mittel zu benutzen, um vietnamesische Attacken abzuwehren“. Johnson machte davon zunächst kaum Gebrauch. Im folgenden Wahlkampf positionierte Johnson sich klar als friedenswillig und gegen Kampfhandlungen der USA in asiatischen Ländern. Sein Gegenkandidat, Barry Goldwater, stand offen für einen umfassenden Krieg in Vietnam, was bei der überwiegenden Mehrzahl der US-Wähler auf Ablehnung traf.
Johnsons Wahlkampfaussagen stellten sich später als reines Kalkül und unehrlich heraus. Er hegte ebenso Kriegsabsichten wie sein Kontrahent Goldwater. Die Pläne für den großangelegten Krieg bestanden bereits. Die Irreführung der kriegsunwilligen Öffentlichkeit in den USA wurde in der Folge systematisch fortgesetzt. Und Johnson tat in Abstimmung mit seinen Beratern nun genau das, was er im Wahlkampf vorgeblich abgelehnt hatte: einen großangelegten Krieg in Vietnam zu führen.
Die Veröffentlichung der „Pentagon-Papers“ durch Daniel Ellsberg, ab 1969, zeigte nach und nach der Öffentlichkeit, auf welch verwerfliche Weise der Präsident und das Militär handelten. Zunächst kopierte Ellsberg ab Ende des Jahres 1969 die 7.000 Seiten geheimen Materials und stellte sie dem Außenpolitischen Ausschuss des Senats zur Verfügung. Als dann auch noch Laos und Kambodscha durch US-Militär überfallen und bombardiert worden waren, übergab er die Papiere 1971 der ‚New York Times‘.
„Der Vietnamkrieg begann mit einer Lüge. Auslöser war der angebliche Angriff der Nordvietnamesen auf eines unserer Kriegsschiffe, das in der Bucht von Tonkin stationiert war. Doch den gab es nie. Es war eine Lüge. Es war reine Propaganda um diesen furchtbaren Krieg anzufangen. Manchmal wiederholt sich die Geschichte.“
― Dustin Hoffman. USA (aus https://gutezitate.com/zitate/propaganda)
Die jüdische Philosophin und Publizistin Hanna Arendt befasste sich mit der Angelegenheit und verurteilte entschieden die Verheimlichungen, Unwahrheiten und das zielgerichtete Lügen der US-Führung. Es wurde den US-Bürgern und der Weltöffentlichkeit deutlich, in welcher Weise Regierungen und Präsidenten über einen langen Zeitraum gelogen, getäuscht und die Bürger betrogen hatten.
Daniel Ellsberg war damit ein früher „Whistleblower“, lange vor der Zeit des Internets. Richard M. Nixon, der seit Januar 1969 US-Präsident war, unternahm verzweifelte und wiederum illegale Versuche, um befürchtete künftige Veröffentlichung kompromittierender Unterlagen zu verhindern. Dies führt in der Folge zur „Watergate-Affäre“, die zusätzlich die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz der Regierung, deren Berater und vor allem des US-Präsidenten tiefgreifend erschütterte. Das Vertrauen in das Präsidentenamt ging bei vielen unwiderruflich verloren. Schließlich trat Nixon im August 1974 zurück und kam damit einem Amtsenthebungsverfahren zuvor.
Der Vietnam-Krieg führte zu einem schwerwiegenden und fortdauernden Vertrauensverlust der US-Bürger in Politik und Regierung und Teile der Medien, ja, des politischen Systems im Gesamten. Dies ist wichtig zu wissen, um spätere Geschehnisse und die heutigen Befindlichkeiten in den USA nachvollziehen zu können.
Fußnote:
(1) Zur Vorgeschichte in Kürze: Vietnam befand sich seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in einem Kolonialkrieg mit der damaligen Kolonialmacht FRANKREICH, der sich später zu einem Bürgerkrieg entwickelte unter französischer, chinesischer und anfänglich japanischer Beteiligung. Die USA unterstützten Frankreich schon zu dieser Zeit mit hohem Aufwand gegen die kommunistischen Unabhängigkeitskämpfer. Es handelte sich bei dem Indochina-Krieg um einen großen Stellvertreterkrieg, in welchem die USA schon zu dieser Zeit involviert waren. In der „Indochina-Konferenz“ von 1954 in Genf, wurde über komplexe Friedensverhandlung zwischen den beteiligten Staaten Volksrepublik China, Großbritannien, Frankreich, Sowjetunion, Vietnamesischen Vertretern, Laos und Kambodscha auch eine Teilung in das (kommunistische) Nord-Vietnam und den Süd-Teil beschlossen.
Ohne die finanzielle und militärische Unterstützung der USA in Höhe von mehreren Milliarden US-Dollar hätte Frankreich den Krieg vorzeitig beenden müssen, um einen Staatsbankrott abzuwenden. Verschiedene Seiten setzten im Indochina-Krieg Folter ein. Die Franzosen nutzten Folter in großem Ausmaß, auch nach 1946, trotz eines Folterverbots. In der Zeit des Indochina-Kriegs verloren schätzungsweise eine Million Vietnamesen ihr Leben, der größte Teil unter ihnen unbeteiligte Zivilisten. Genaue Zahlen über Tote auf den verschiedenen Seiten wurden später nicht erhoben oder veröffentlicht. Die USA nahmen nach der Genfer Friedenskonferenz weiter direkten Einfluss und mischten sich in Vietnam und Laos in innere Angelegenheiten massiv ein. In Süd-Vietnam folgte ein diktatorisches Regime unter dem von den USA dort installierten und unterstützten Katholiken Ngô Đình Diệm. Gegen das Terrorregime von Diem kam es zum erneuten Bürgerkrieg. Zunächst als bewaffneter Aufstand in Süd-Vietnam, dann unter der Beteiligung des kommunistischen Nord-Vietnam entwickelte sich ein Bürgerkrieg in Vietnam.
Die Kommunisten-Hysterie unter McCarthy
In diesem Zusammenhang gehörte die in den USA und durch den republikanischen US-Senator Joseph McCarthy, Anfang der 1950er Jahre, massiv geschürte Sorge vor Kommunisten. McCarthy überzog seine geschürte Kommunisten-Panik; er sprach wiederholt von einer Verschwörung gegen die USA. Er witterte selbst kommunistische Umtriebe in zentralen Stellen der US-Verwaltung, beim Militär, in Parteien und der Regierung. Mit überzogenen Maßnahmen, bis hin zu unbegründeten Verdächtigungen und ungerechtfertigten Verfolgung von Unschuldigen, wurde durch staatliches Handeln zahlreichen Menschen Schaden zugefügt. Es stellte sich heraus, dass es sich hier um eine Paranoia und geschürte Unsicherheit und Ängste handelte, nicht um eine tatsächliche großangelegte kommunistische Verschwörung.
„Verschwörungstheorien“, die aus Misstrauen gegen Regierung, Militär und Geheimdienst entstanden
Im Folgenden sollen hier ein paar bekannte Beispiele genannt werden, zu welchen Ereignissen Theorien oder Thesen entstanden, welche offizielle Darstellungen widerlegen wollen. Und eines muss klar sein: Diese Verschwörungsannahmen scheinen für viele womöglich absurd, aber dennoch gibt es Anhaltspunkte, die zahlreiche Menschen zweifeln oder eigene Erklärungen ersinnen lassen. Und manchen Verschwörungstheorien wird heute weltweit nachgegangen. Es wäre also leichtfertig, alles, was offiziellen staatlichen Darstellungen widerspricht, gleich als Unsinn abzutun.
Auf die einzelnen Beispiele wird nur kurz eingegangen, da hier nicht der Raum ist, um diese detailliert zu behandeln. Jedes wäre ein eigenes erschöpfendes Thema. Im Fokus stehen weiter die USA. Dies hat mehrere Gründe, vor allem die Tatsache, dass die USA mit ihrer Außen- und Geo-Politik einen großen Einfluss weltweit haben und die Befindlichkeiten der US-Bürger von erheblicher Bedeutung sind.
Der japanische Angriff auf Pearl Harbour, im Zweiten Weltkrieg
Beim japanischen Luftangriff auf Pearl Harbor, am 7. Dezember 1941, kamen 2.403 Amerikaner ums Leben, 2335 Marinesoldaten und 68 Zivilisten. Hinzu kamen etwa 1170 Verwundete. Zwei große US-Kriegsschiffe wurden versenkt und zahlreiche stark beschädigt. Weit über 300 US-Kampfflugzeuge, die ebenfalls in Pearl Harbour stationiert waren, wurden zerstört oder beschädigt. Der Luftangriff der Japaner erfolgte mit über 350 Flugzeugen, die mit Flugzeugträgern über den Pazifik gebracht worden waren und in zwei Hauptwellen die Stützpunkte auf der hawaiianischen Insel O‘ahu angriffen. Außerdem waren mehrere japanische kleine U-Boote beteiligt.(1)
Wenngleich die Japanische Armee im Vorfeld mit Geheimhaltung plante und kein Funkverkehr die Aktion verraten haben soll, gibt es Hinweise darauf, dass der US-Geheimdienst dennoch zuvor Kenntnis von einem bevorstehenden Angriff erlangt hatte und Präsident Rooseveld informiert war.
Es besteht seit damals die Theorie, dass die Amerikaner von einem bevorstehenden japanischen Angriff wussten. US-Präsident Franklin Delano Roosevelt, soll es geschehen lassen haben, ohne Vorkehrungen zu treffen. Damit erhoffte er vor der weitgehend pazifistisch eingestellten US-Bevölkerung einen willkommenen Anlass zu erhalten, um an der Seite Großbritanniens in den zweiten Weltkrieg einzutreten – mit Kriegserklärungen gegenüber Japan und Deutschland. Dies war mit dem britischen Premierminister Winston Churchill vereinbart. Diese umstrittene These bewegt noch heute in den USA viele Gemüter. Aber viele halten ein solches Kalkül des Präsidenten (und seiner Berater) für wahrscheinlich.
Zwei Tage nach dem japanischen Luftangriff erfolgte die Kriegserklärung der USA an Japan. Das Deutsche Reich und die USA erklärten sich gegenseitig den Krieg; Italien übermittelte ebenfalls eine Kriegserklärung an die USA. Wie sich herausstellte, hatte das Japanische Kaiserreich sich in mehrfacher Hinsicht strategisch vollkommen verkalkuliert und das Gegenteil von dem erreicht, was beabsichtigt war.
Fußnote:
(1) Der Luftangriff auf den hawaiianischen US-Stützpunkt wird als Überfall gewertet, weil die japanische Seite es „versäumte“ – ausversehen oder mit Kalkül – den USA zuvor eine offizielle Kriegerklärung zu übermitteln.
Das Attentat auf Präsident John F. Kennedy
Die wahrscheinlich bekanntere Verschwörungstheorie betrifft das tödliche Attentat in Dallas auf John Fitzgerald Kennedy, US-Präsident von 1961 bis zu seinem Tode 1963. Es gibt zu den Umständen der Ermordung Kennedys sowie zu Motiven und Tätern zahlreiche Vermutungen und Annahmen. Darunter sind ernstzunehmenden Thesen, was statt der offiziellen Darstellung womöglich geschah und wer hinter dem Attentat stecken könne. Einiges an dem offiziell erklärten Tathergang erscheint wenig glaubhaft. Zeugen machten andere Beobachtungen, und es ereigneten sich anschließend an das Attentat Dinge, die verständlicherweise Misstrauen erweckten. So sprossen rasch zahlreiche Vermutungen, dass das Attentat auf den Präsidenten ganz anders ablief, als offiziell erklärt. Zu der Thematik wurden inzwischen weltweit, zahlreiche Artikel sowie mehrere Bücher verfasst und Filme gedreht.
Es bestehen Annahmen, es könne sich um eine Verschwörung aus Führungskreisen der USA gegen den eigenen Präsidenten gehandelt haben. Der als Attentäter präsentierte Kommunist, Lee Harvey Oswald, könne demnach nicht der tatsächliche Mörder gewesen sein. Oswald wurde wenige Tage nach dem Attentat auf Kennedy, bevor ein Prozess gegen ihn beginnen konnte, in einer Polizeistation in Dallas von dem todkranken Jack Ruby erschossen. Ruby war ein zwielichtiger Mobster (Mitglied bestimmter krimineller Banden) und Nachtclubbesitzer aus Dallas. Aussagen, die er nach dem gegen ihn geführten Prozess in Interviews machte, verstärkten den Eindruck, dass hinter dem Attentat wahrscheinlich etwas anderes steckte, als offiziell erklärt. Allerdings war Ruby womöglich zunehmend geistig verwirrt und somit nicht zurechnungsfähig. Der Hergang und Hintergründe zu Kennedys Ermordung sind bis heute nicht schlüssig geklärt.
Die US-Mondlandung 1969
Eine weitere große Verschwörungstheorie aus den USA betrifft die Mondlandung. Seit langem schon wird von einigen angezweifelt, dass die US-Mondmission tatsächlich erfolgte. In den Jahrzehnten nach 1969 wurden zahlreiche wiederum schlüssige Erklärungen von offiziellen Stellen und Medien abgegeben, die Zweifel ausräumen sollen. Dennoch gibt es zahlreiche Menschen (in den USA und international), welche die Ansicht vertreten, die US-Mondlandung sei nie erfolgt, sondern das Ganze gestellt gewesen.
11. September 2001
Herausragend bedeutsam waren die Anschläge auf Ziele in den USA mittels gekaperter Verkehrsflugzeuge, am 11. September 2001. Besonders zu den Einstürzen der Twin Towers, den Zwillingstürmen des World Trade Centers in Manhattan, kursierten schon kurz nach dem erschütternden Ereignis Annahmen und Verschwörungsvermutungen. Auch hier waren es Ungereimtheiten und für die Außenstehenden schwer nachvollziehbare Geschehnisse und Abläufe, die Fragen aufwarfen, Misstrauen erregten und zu vielfältigen Spekulationen Anlass gaben.
Wie so oft sind es auch lückenhafte Darstellungen und wenig überzeugende Erklärungen und vernachlässigte Aspekte, auf die vonseiten der offiziellen, staatlichen Stellen nicht eingegangen wird. Die Glaubhaftigkeit wird so geschwächt. Kritische Geister erkennen selbstverständlich solche lückenhaften Darstellungen oder Widersprüche. Wenn dann noch genügend Phantasie sowie Misstrauen gegenüber der eigenen Regierung, Politik allgemein und Medien hinzukommt, liegt die Entstehung von zahlreichen Vermutungen und Verschwörungstheorien nahe. Hinzu kommt, dass die Attentate vom September 2001 als Grund für den Beginn des Afghanistan-Krieges dienten.
Am 11. September 2001 wurde nicht nur das World Trade Center zerstört, sondern auch ein Flugzeug in das Pentagon gesteuert und ein weiteres Flugzeug, UA 93, stürzte ab, nachdem es wahrscheinlich Widerstand von Passagieren und Crew gegen die Entführer gab.
Ohne hier auf die Einzelheiten eingehen zu können, muss man insgesamt feststellen, dass die offiziellen Berichte und Erklärungen für die Öffentlichkeit zu diesen Tragödien lückenhaft waren und in sich widersprüchlich oder nicht zufriedenstellend schlüssig erscheinen. Hinzu kommt die Tragweite des schockierenden Ereignisses.
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An dieser Stelle kann selbstverständlich nicht darüber befunden werden, ob die offiziellen Darstellungen stimmen oder nicht. Es geht darum aufzuzeigen, wie Zweifel entstehen und aus welchen Gründen Überlegungen angestellt werden, die offizielle, staatliche Erklärungen verwerfen oder andere Erklärungen entstehen, Annahmen über gänzliche andere Hergänge und so weiter detailliert ausgearbeitet werden.
Es soll hier nicht Stellung zu den genannten Beispielen bezogen werden oder eine Bewertung erfolgen. Sondern die genannten Fälle sollen schlicht veranschaulichen, wie groß sowohl das Misstrauen wie auch die Ablehnung gegenüber der Führung der USA ist und wie wenig glaubhaft sie von eine großen Zahl an Leuten eingeschätzt wird.
Die Gemütslage in den USA
Das über Jahrzehnte zuvor angestaute und durchaus nachvollziehbare Misstrauen eines großen Bevölkerungsteils gegenüber Regierung, staatlichen Institutionen, Militär und Großkonzernen wie auch reichen (und einflussreichen) Personen sitzt in den USA sehr tief. Die Erfahrungen der Vergangenheit hatten die US-Bürger gelehrt, wie erfindungsreich diese Führungseliten sind, wenn es darum geht, einen Anlass zu konstruieren, um einen Krieg auszulösen oder in einen bestehenden einzutreten und Truppen weltweit zu stationieren und sich in die internen Belange anderer Länder einzumischen.
Die Tatsache, dass die US-Führung kurz darauf die Anschläge vom 11. September als Rechtfertigung nutzen wollte, um in den Irak einzumarschieren und dann tatsächlich den Afghanistan-Krieg unter dieser Begründung begannen, lud zu Annahmen ein, dies seien konstruierte Anschläge. Zumindest seien diese mit Wissen von Geheimdiensten geschehen und nicht verhindert worden. Die Ereignisse passten in ein Muster: Die USA werden (angeblich) angegriffen und nehmen dies als Anlass, einen Krieg zu führen, der offenbar wirtschaftlichen oder geo-strategischen Interessen dient. Abgesehen davon waren die USA seit dem Zweiten Weltkrieg nie mehr in ihren kriegerischen Handlungen erfolgreich. Die USA gingen aus allen Kriegen mit hohen Verlusten, enormen Kosten und nicht erreichten Zielen heraus.
Bei den Anschlägen vom 11. September 2001 kommt hinzu, dass zu dieser Zeit, seit wenigen Jahren erst, eine große Anzahl der Menschen in der westlichen Welt über Zugang zum Internet verfügten. Damit konnten sich verschiedene Zweifel, Mutmaßungen und Erklärungsversuche rasch und weit verbreiten. Da diese Dynamik für Regierungen und Geheimdienste womöglich noch neu war und diese einigermaßen unvorbereitet traf, hatte man den Spekulationen 2001 obendrein noch nicht viel entgegenzusetzen.
Das Bild, das zahlreiche US-Bürger von ihrer politischen Führung seit langem gewonnen haben und welches sich zunehmend verfestig, kollidiert mit ihrem Moralempfinden und ihrem Anspruch an eine Führungselite. Es darf der Anspruch an Moral und Gerechtigkeitsempfinden in der breiten Masse der Bevölkerung nicht unterschätzt werden. Sie wollen keine unmoralischen Lügner und Kriegstreiber als Repräsentanten und Entscheidungsträger, sondern eine Führungselite, die zumindest den grundlegenden moralischen Ansprüchen gerecht wird, die für die Gesellschaft im Ganzen gelten.
Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte sinkt das Vertrauen der US-Bürger in die Politik, in die Fähigkeit und den Willen der Regierung, sich zu ihrem Wohle und für ihren Staat einzusetzen.
Ein Beitrag aus „The Economist“ befasst sich mit dem Misstrauen der US-Amerikaner.
Interessant in dem Zusammenhang ist die ausführliche Studie des Pew Research Center: https://www.pewresearch.org/politics/2022/06/06/americans-views-of-government-decades-of-distrust-enduring-support-for-its-role/
Hier gelangen Sie zu Teil 1 von „Kampfbegriffe gegen die Opposition“.
Teil 3 wird in Kürze veröffentlicht werden. Bitte haben Sie noch etwas Geduld.
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