{"id":76,"date":"2024-02-08T14:56:52","date_gmt":"2024-02-08T14:56:52","guid":{"rendered":"https:\/\/advocatus-veritas.com\/?page_id=76"},"modified":"2024-06-26T15:23:59","modified_gmt":"2024-06-26T15:23:59","slug":"hoehlengleichnis-platon","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/advocatus-veritas.com\/de\/philosophie\/hoehlengleichnis-platon\/","title":{"rendered":"Platons H\u00f6hlengleichnis"},"content":{"rendered":"\n
Das H\u00f6hlengleichnis<\/strong> ist eines der bedeutendsten und bekanntesten philosophischen Gleichnisse. Es wurde ersonnen von dem griechische Philosophen Platon (ca. 428 bis ca. 348 v. Chr.). Das H\u00f6hlengleichnis wird als Erg\u00e4nzung zu Platons Liniengleichnis und dem Sonnengleichnis<\/strong> erachtet, die alle in Platons umfangreichen Gesamtwerk \u201ePoliteia<\/strong>\u201c enthalten sind. Das H\u00f6hlengleichnis folgt darin den anderen beiden Gleichnissen, auf die es aufbaut.<\/p>\n\n\n\n Das H\u00f6hlengleichnis steht jedoch auch f\u00fcr sich alleine verst\u00e4ndlich und verdeutlicht den schwierigen und schmerzhaften Weg von der Unwissenheit hin zur Erkenntnis<\/strong>. Dar\u00fcber hinaus veranschaulicht es die Schwierigkeiten und Gefahren, die einem Menschen drohen, wenn er anderen, die sich noch in der finsteren H\u00f6hle der Unwissenheit befinden, sein neues Wissen und Erkennen von Wirklichkeit n\u00e4herbringen will und sie aus den Fesseln der T\u00e4uschung und der H\u00f6hle der Trugbilder zu befreien beabsichtigt. <\/p>\n\n\n\n Es wird darauf hingelenkt, dass jedoch die Plicht und eine verantwortungsvolle Aufgabe gegen\u00fcber seinen Mitmenschen besteht, die anderen in der H\u00f6hle des Unwissens aufzukl\u00e4ren. Ein betr\u00e4chtlicher Teil des H\u00f6hlengleichnisses, nach der eigentlichen Gleichnisschilderung, befasst sich mit Regierung und staatsphilosophischen Fragen. Da dieser Teil am Ende nur bedingt Bezug zum eigentlichen Gleichnis besitzen und sehr umfassend ausf\u00e4llt, werden diese \u00dcberlegungen hier bis auf wenige Schl\u00fcsselstellen weitgehend ausgelassen. Wie es unter griechischen Philosophen des Altertums \u00fcblich war, hat Platon seine Erkl\u00e4rungen und Lehre mittels fiktiver Gespr\u00e4che oder Dispute zwischen bekannten Personen vermittelt. Daraus ergibt sich eine f\u00fcr uns heute fremdartige Darstellung von einer Mischung aus Lehre, Drama und Geschichtenerz\u00e4hlung. \u00c4hnliche Stilmittel, um Wissen, Tugenden oder andere Lehren zu vermitteln, kennen wir aus den alten europ\u00e4ischen M\u00e4rchen oder Mythen und Sagen. Hier werden \u00fcber Handlungen und Gespr\u00e4che \u2013 \u00fcber Analogien und Allegorien \u2013 Werte und Lehren vermittelt. Der Verst\u00e4ndlichkeit und der L\u00e4nge wegen wird hier das im Originalen sehr weitschweifig erz\u00e4hlte Gleichnis in etwas vereinfachter und gek\u00fcrzter Form dargestellt und die Dialogform zur\u00fcckgenommen, wie es heute \u00fcblich ist. So erfasst man auch ohne Umwege die Erkl\u00e4rung mit den enthaltenen Aussagen. Vor allem l\u00e4sst es sich so wesentlich sicherer in verschiedene Sprachen \u00fcbersetzen als es aus der vorliegenden alten deutschen Version m\u00f6glich w\u00e4re.<\/p>\n\n\n\n * * *<\/p>\n\n\n\n \u201eVergleiche die menschliche Natur in Bezug auf Bildung und Unbildung mit folgendem Zustande. <\/p>\n\n\n\n Stelle dir Menschen vor wie in einer unterirdischen h\u00f6hlenartigen Wohnung, die einen Zugang l\u00e4ngs der ganzen H\u00f6hle hat. In dieser H\u00f6hle seien sie von Kindheit an gefesselt an Hals und Schenkeln, so dass sie sitzend auf demselben Fleck bleiben und auch nur nach vorne zu sehen verm\u00f6gen, an die Wand gegen\u00fcber dem Eingange. Den Kopf herumzudrehen, ist der Fessel wegen nicht m\u00f6glich.<\/p>\n\n\n\n Licht haben sie von einem Feuer, welches von Ferne in Richtung Ausgang, oberhalb hinter ihnen brennt. Zwischen dem Feuer und den Gefangenen geht oben her ein Weg. L\u00e4ngs dieses Weges steht im R\u00fccken der Gefangenen eine Mauer gebaut, wie die Wand, welche die Puppenspieler vor den Zuschauern stellen, \u00fcber welche her\u00fcber sie ihre Puppen-Kunstst\u00fccke zeigen. <\/p>\n\n\n\n Sieh nun l\u00e4ngs dieser Mauer Menschen allerlei Dinge tragen, die \u00fcber die Mauer her\u00fcber ragen, Gef\u00e4\u00dfe, Bilds\u00e4ulen und allerlei andere steinerne und h\u00f6lzerne Dinge. Einige reden dabei, andere schweigen.<\/p>\n\n\n\n Wie sollten die so gefangenen Menschen von sich selbst und anderem etwas zu sehen bekommen als nur die Schatten, welche das Feuer auf die ihnen gegen\u00fcberstehende Wand der H\u00f6hle wirft, wenn sie gezwungen sind, zeitlebens den Kopf unbeweglich zu halten?! Was w\u00fcrde er wahrscheinlich sagen, wenn ihm einer versicherte, bislang habe er im Leben nur Unwirkliches gesehen, jetzt aber sei er dem Seienden und Wirklichen n\u00e4her und s\u00e4he richtig? Und wenn er nun die vor\u00fcbergetragenen Dinge s\u00e4he, w\u00e4re dieser Mensch nicht ganz verwirrt und m\u00fcsste glauben, was er zuvor in seinem Leben sah, sei wom\u00f6glich doch wirklicher als was ihm jetzt gezeigt werde? Und wenn ihn nun einer mit Gewalt von dort durch den unwegsamen und steilen Aufgang schleppte und nicht loslie\u00dfe, bis er ihn an das Licht der Sonne gebracht h\u00e4tte, wird er nicht viel Schmerzen sp\u00fcren und sich gar ungern schleppen lassen? Und wenn er nun an das blendende Licht k\u00e4me, w\u00fcrde er zun\u00e4chst nichts sehen k\u00f6nnen von den Dingen um ihn. Und den Himmel selbst w\u00fcrde er am liebsten in der Nacht betrachten und in das Mond- und Sternenlicht sehen, als bei Tage in die Sonne und in ihr ungewohntes Licht. Zuletzt aber w\u00fcrde er vermutlich auch im Stande sein, die Sonne selbst an ihrer eigenen Stelle anzusehen. Auch wenn ein solcher nun wieder hinunterstiege und sich auf seinen fr\u00fcheren Schemel setzte, w\u00fcrden ihm die Augen nicht ganz voller Dunkelheit sein und sein Augenlicht schwach, da er so pl\u00f6tzlich von der Sonne herkommt? Und wenn er wieder in der Begutachtung jener Schatten wetteifern sollte mit denen, die immer dort gefangen waren, w\u00fcrde man ihn nicht auslachen und von ihm sagen, er sei mit verdorbenen Augen von oben zur\u00fcckgekommen. Sie w\u00fcrden ihn verh\u00f6hnen, wenn er von den Dingen und vom Licht der Sonne erz\u00e4hlt, es lohne nicht, dass man versuche hinaufzukommen und man m\u00fcsse jeden, der sie l\u00f6sen und hinaufbringen wollte, versuchen umzubringen, sofern man ihn fassen k\u00f6nnte.\u201c<\/p>\n\n\n\n Ausschnitte der Nachbetrachtung im Gleichnis \u2013 Sokrates\u2018 Erkl\u00e4rungen an Glaukon:<\/strong><\/p>\n\n\n\n \u201eDas Hinaufsteigen und die Beschauung der oberen Dinge setze gleich mit dem Aufschwung der Seele in die Gegend der Erkenntnis. Nur mit M\u00fche wird dir m\u00f6glich, die Idee des Guten zu erblicken. Wenn man sie aber erblickt hat, sieht man die Erkenntnis als die Ursache alles Richtigen und Sch\u00f6nen. Wenn aber Hungerleider und Arme an die \u00f6ffentlichen Angelegenheiten gehen, in der Meinung von dort her Gutes an sich rei\u00dfen zu m\u00fcssen, so geht das nicht. Denn wird die Verwaltung etwas, worum man sich rei\u00dft und schl\u00e4gt, so muss ein solcher einheimischer und innerer Krieg die Kriegf\u00fchrenden selbst und den \u00fcbrigen Staat verderben.“<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":" Vorbemerkung zum H\u00f6hlengleichnis Das H\u00f6hlengleichnis ist eines der bedeutendsten und bekanntesten philosophischen Gleichnisse. Es wurde ersonnen von dem griechische Philosophen Platon (ca. 428 bis ca. 348 v. Chr.). Das H\u00f6hlengleichnis wird als Erg\u00e4nzung zu Platons […]<\/a><\/p>\n<\/div><\/div><\/div><\/div><\/div><\/div><\/div><\/div>","protected":false},"author":1,"featured_media":0,"parent":27,"menu_order":0,"comment_status":"closed","ping_status":"closed","template":"","meta":{"footnotes":""},"class_list":["post-76","page","type-page","status-publish"],"yoast_head":"\n
Meistens wird das H\u00f6hlengleichnis interpretiert als bildhafte Erkl\u00e4rung, welche die Wichtigkeit und den Sinn von Bildung und der philosophischen Erkenntnis schildert sowie die schmerzhaften Anstrengungen auf diesem Wege. Das Gleichnis steht in \u201ePoliteia\u201c eingebettet , was die \u00e4lteste bekannte Staatsphilosophie und politische Utopie Europas ist, erg\u00e4nzt durch Platons Ideenlehre. Daher kann die Deutung auch auf anderen Bezug gerichtet werden: auf gesellschaftliche, politische Zusammenh\u00e4nge, auf Machtaus\u00fcbung und Herrschaft und das Handeln von Menschen in einem Gemeinwesen. <\/p>\n\n\n\n
In Platons Werk \u201ePoliteia\u201c nehmen das Gute und die Wahrheit einen hohen Stellenwert ein, wobei Wissen und Erkenntnis ebenfalls dem Guten zugeordnet werden und dem Licht der Sonne gleichgesetzt sind. Dies kommt im H\u00f6hlengleichnis ebenfalls zur Geltung.<\/p>\n\n\n\n
Die fiktive Hauptrolle<\/strong> tr\u00e4gt in der gesamten Politeia Platons verehrter Lehrer Sokrates<\/strong>. Er stellt die schillernde Hauptfigur dar. Das H\u00f6hlengleichnis verfasste Platon als einen ausf\u00fchrlichen und ausgeschm\u00fcckten Dialog zwischen seinem eigenen Bruder Glaukon und Sokrates.<\/p>\n\n\n\nDas H\u00f6hlengleichnis <\/h2>\n\n\n\n
Wenn sie nun miteinander redeten, verst\u00e4ndigten sie sich \u00fcber das Gesehene und um das zu benennen, was sie s\u00e4hen?
Und wenn ihr Kerker auch einen Widerhall h\u00e4tte von dr\u00fcben her, wenn einer von den Vor\u00fcbergehenden spr\u00e4che, sie w\u00fcrden denken, die Schatten an der Wand redeten.
Keines Falles also k\u00f6nnen diese so gefangenen Menschen irgendetwas anderes f\u00fcr das Wahre halten, als die Schatten an der Wand.
Wenn nun einer dieser Gefangenen von seinen Fesseln befreit w\u00fcrde und sogleich auch gezwungen w\u00fcrde aufzustehen, sich umzuwenden, zu gehen und aus dem Dunkel gegen das Licht zu schauen, und indem er das t\u00e4te versp\u00fcrte er immer Schmerzen durch das blendende Licht. Und wegen des flimmernden Glanzes sei er au\u00dferstande, jene Dinge deutlich zu erkennen, wovon er vorher lediglich die Schatten sah.<\/p>\n\n\n\n
Und wenn man diesen Menschen gar in das Licht selbst zu sehen n\u00f6tigte, w\u00fcrden ihm wohl die Augen schmerzen. Und er h\u00e4tte den Wunsch zu fliehen und zur\u00fcckzukehren und anzusehen, was er gewohnt und im Stande ist zu sehen. <\/p>\n\n\n\n
Gew\u00f6hnung also h\u00e4tte er n\u00f6tig, um dies hier drau\u00dfen zu sehen. Und zuerst w\u00fcrde er Schatten am leichtesten erkennen, hernach anderes und die Menschen. Und ebenso betrachtete er, was am Himmel ist. <\/p>\n\n\n\n
Und dann wird er herausfinden, dass die Sonne die Zeiten und Jahre schafft und alles andere und wie gro\u00df ihre Bedeutung ist.
Und wenn er nun seiner ersten Wohnung gedenkt und der dortigen geringen Weisheit und der damaligen Mitgefangenen, w\u00fcrde er sich gl\u00fccklich sch\u00e4tzen in seiner jetzigen Lage?
Und wenn sie dort unter sich Ehre und Lob f\u00fcr denjenigen hatten, der sich am besten die die vor\u00fcberziehenden Schatten an der Wand und ihre Einzelheiten merken kann, w\u00fcrde es ihn hier drau\u00dfen danach noch verlangen, unter diesen zu weilen und Schattenbildnisse zu bestaunen?
Oder wird ihm das Homerische begegnen und er wollte viel lieber drau\u00dfen das Feld als Tagel\u00f6hner bestellen und lieber alles \u00fcber sich ergehen lassen, als wieder dort unten zu leben, unter solchen Vorstellungen?<\/p>\n\n\n\n
Wer vern\u00fcnftig handeln will, es sei nun in eigenen oder in \u00f6ffentliche Angelegenheiten, muss das Licht und die Sonne sehen, die als Herrscherin Wahrheit und Vernunft hervorbringt.
Hat jemand Vernunft, so bedenkt er, dass durch zweierlei die Wahrnehmung gest\u00f6rt sein kann: wenn man aus dem Licht in die Dunkelheit versetzt wird, und wenn aus der Dunkelheit in das Licht.\u201c
[\u2026]
„Und ist es nicht auch nat\u00fcrlich und nach dem bisher Gesagten notwendig, dass weder die Ungebildeten und der Wahrheit Unkundigen dem Staat geh\u00f6rig vorstehen werden, noch die, welche man sich immerfort mit den Wissenschaften besch\u00e4ftigen l\u00e4sst?
Und den trefflichsten Naturen unter unseren Bewohnern in der Stadt obliegt es, nach jener Kenntnis zu suchen, welche wir im vorigen als die gr\u00f6\u00dfte aufstellten, n\u00e4mlich das Gute zu sehen und die Reise aufw\u00e4rts dahin anzutreten. Aber wenn sie dort oben ausreichend geschaut haben, darf man ihnen nicht erlauben, dort zu bleiben und nicht wieder zur\u00fcckkehren zu wollen zu jenen Gefangenen, noch Anteil zu nehmen an ihrem Schicksal. Wollen wir ihnen Unrecht zuf\u00fcgen, und Schuld daran tragen, dass sie schlechter leben, obschon sie es besser k\u00f6nnten?“
[\u2026]
„Ihr m\u00fcsst also nun wieder herabsteigen zu der Wohnung der \u00dcbrigen und euch mit ihnen an die Dunkelheit wieder gew\u00f6hnen. So werdet ihr tausendmal besser als die dortigen sehen, und jedes Schattenbild erkennen was es ist und wovon, weil ihr das Sch\u00f6ne, Gute und Gerechte selbst in der Wahrheit gesehen habt. Und so wird uns und euch der Staat wachend verwaltet werden und nicht tr\u00e4umend, wie jetzt die meisten von solchen verwaltet werden, welche Schattengefecht miteinander treiben und sich entzweien um die Obergewalt, als ob sie ein gar gro\u00dfes Gut w\u00e4re.
Das Wahre daran ist aber dieses: der Staat, in welchem die zur Regierung Berufenen am wenigsten Lust haben zu regieren, wird notwendig am besten und ruhigsten verwaltet werden, der aber entgegengesetzte Regenten bekommen hat, auch entgegengesetzt.“
[\u2026]
„Wenn du denen, welche regieren sollen, eine Lebensweise aufzeigst, welche besser ist als das Regieren, dann kannst du es dahin bringen, dass der Staat wohl verwaltet werde. Denn in einem solchen allein werden die wahrhaft Reichen regieren, die nicht reich an Golde sind, sondern woran der Gl\u00fcckselige reich sein soll: an t\u00fcchtigem und vernunftm\u00e4\u00dfigem Leben. <\/p>\n\n\n\n